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Die Wahlkämpferin

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Es gibt Regisseure wie Stanley Kubrick, Quentin Tarantino oder, ja, auch Michael Bay: Regisseure mit einer klar erkennbaren Handschrift, die sich zu einer eigenen Marke aufgeschwungen haben. Dann gibt es Regisseure wie John Lee Hancock, Jon Turteltaub oder Francis Lawrence, die ihr Handwerk verstehen, aber in keinem Genre zu Hause sind und stilistisch unterschiedliche Filme abliefern. Und dann gibt es diese Wundertüten wie David Gordon Green, bei denen der Zuschauer nie weiß, woran er ist. Green etwa verwirklicht einfühlsame, mutige Filme wie das Jugenddrama George Washington und geachtete Rachedramen wie Undertow – Im Sog der Rache oder Joe – Die Rache ist sein, aber auch miese, infantile Komödien wie Your Highness – Schwerter, Joints und scharfe Bräute oder Bad Sitter.

Mit Die Wahlkämpferin präsentiert sich Green schon wieder von einer neuen Seite: Er vermengt Elemente eines Politdramas mit flottem, teils überzogenem Humor und einer sehr vorsichtig agierenden Satire. Somit liefert Green, dessen Arbeiten zumeist „Top oder Flop“ sind, ausnahmsweise auch eine Regiearbeit ab, auf die viel eher das Fazit „in Ordnung“ zutrifft. Was durchaus schade ist, immerhin diente als grobe Inspiration zu dieser Polit-Dramödie die gefeierte Dokumentation Our Brand is Crisis.

Wie besagte Dokumentation, deren Titel Die Wahlkämpferin im englischsprachigen Original 1:1 übernimmt, handelt die George-Clooney-Produktion davon, das eine US-amerikanische Agentur für politische Beratung angeheuert wird, um einem der Kandidaten in der bolivianischen Präsidentschaftswahl unter die Arme zu greifen. In der Realität des Films ist es der frühere bolivianische Präsident Pedro Castillo (Joaquim de Almeida), der wieder ins Amt gewählt werden möchte und sich daher teure Hilfe erkauft. Da der uncharismatische, gestrenge Politiker in den Umfragen weit hinterherhinkt und generell als unpopulär gilt, brauchen aber selbst die US-Profis (Ann Dowd und Anthony Mackie in wenig einprägsamen Rollen) Unterstützung. Also holen sie die legendäre Jane Bodine (Sandra Bullock) ins Boot, die in der Branche Legendenstatus innehält, sich nach einer tragisch außer Kontrolle geratenen Kampagne jedoch zurückgezogen hat. Gemeinsam mit ihrer wandelnden Geheimwaffe LeBlanc (eiskalt und faszinierend: Zoe Kazan) mischt Bodine den Wahlkampf ordentlich auf – erhält aber schwere Konkurrenz in Form ihres Erzrivalen Pat Candy (Billy Bob Thornton), der den vielversprechendsten Kandidaten berät. Doch zum Glück lernt Bodine den Castillo-Unterstützer Eduardo (Reynaldo Pacheco) kennen, dessen Eifer die Wahlkampfarbeit erleichtert …

Aller Anfang ist nicht nur für die unberechenbare, energievolle und chaotische Jane Bodine schwer, die zunächst keinen Ansatz findet, wie sie den stoischen Castillo dem bolivianischen Volk schmackhaft machen kann. Auch inhaltlich und qualitativ ist bei Die Wahlkämpferin aller Anfang schwer: In Bolivien angelangt, verbringt Bodine die ersten Filmminuten damit, in Eimer zu reihern, weil sie die dünne Luft im südamerikanischen Land nicht verträgt. Wenn sie sich nicht gerade übergibt, mampft sie Kartoffelchips oder hängt an einer Sauerstoffflasche. Weder sind diese Gageinlagen pointiert geschrieben, noch vermag es Green, sie gewitzt zu inszenieren. Sobald Bodine allerdings einen Geistesblitz hat und beschließt, Castillo im Wahlkampf als Fels in der Brandung darzustellen, kommt der Film endlich ins Rollen – auch daher, weil Sandra Bullock in diesem Moment von der Leine gelassen wird.

Dass sich Bodine schlagartig an die bolivianische Luft gewöhnt, mag unplausibel sein, diese kleine Logikfrage ist allerdings ein bezahlbarer Preis dafür, dass Bullock eine Performance zum Besten gibt, die auch einem deutlich stärkeren Film hervorragend zu Gesicht stehen würde: Die Oscar-Preisträgerin entwickelt als belesene, sarkastische Polit- und Marketingexpertin eine bemerkenswerte Sogkraft und vermag es auch, selbst die teils sehr pathetisch geschriebenen Motivationsreden Bodines überzeugend rüber zu bringen.

Wenn durch Bodines Einfälle und ihrer Energie der Wahlkampf Castillos in bester „Vom Versager zum Spitzenreiter“-Erfolgsmanier vorangetrieben wird, gewinnt Die Wahlkämpferin eine reizvolle Doppelbödigkeit: Green inszeniert die Handlung mit der Schmissigkeit einer Sportkomödie in der Tradition von Mighty Ducks und ähnlichen Filmen, er zelebriert, wie ein vermeintlich verlorener Kandidat in den Umfragen nach oben schnellt. Gleichwohl kehrt das Drehbuch von Peter Straughan nie unter den Teppich, dass Castillo nur durch hochtrabende Werbetricks an Zugkraft gewinnt. Selbst wenn Die Wahlkämpferin erst gen Schluss der harschen Wirklichkeit solcher Methoden Aufmerksamkeit widmet, so wird durchweg klar, dass sich der Zuschauer (wie auch das fiktionalisierte Volk Boliviens) auf Manipulation einlässt, um jemanden feiern zu können.

Während Joaquim de Almeida eine solide Arbeit als kantiger Politiker leistet, und Bullock so einige Steilvorlagen für ironische Spitzen liefert, stellt Billy Bob Thornton als Bodines Erzrivale einen schwerwiegenden Schwachpunkt dar: Thornton agiert paradoxerweise gleichzeitig sehr spröde und vollkommen übertrieben. Während die Monologe seiner Rolle nicht zünden, geht Green in den Montagesequenzen auf, die er mit launigem Sound und dezenter Absurdität versieht. Die Kurve zurück zur Dramatik gelingt ihm im Anschluss daran aber nicht immer auf Anhieb, genauso wie die ernste Schlussnote nicht genügend nachhallt, um der erarbeiteten Fallhöhe gerecht zu werden. Ein unterhaltsamer, wenn auch qualitativ unsteter Film mit milder Politsatire ist dem undurchschaubaren Regisseur trotzdem gelungen. Auch wenn sich dem geneigten Weather Man-Fan die Frage aufdrängt: Was hätte jemand wie Gore Verbinski aus diesem Stoff rausholen können?

Fazit: Eine starke Sandra Bullock, einige pointierte Momente und eine Story, der es letzten Endes an Pepp mangelt: Die Wahlkämpferin ist ein ansehnliches Polit-Satiredrama, das seinem Potential hinterherhinkt.


Meine Lieblingsfilme 2015 (Teil IV)

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Was lange währt, wird endlich ... gut? Nun, das müsst ihr entscheiden, ob sich das lange Warten seit dem dritten Teil dieser Hitliste gelohnt hat. Es waren sehr arbeitsreiche und turbulente Wochen. Und etwas, für das ich so viel Passion übrig habe wie für die Präsentation geliebter Filme, wollte ich einfach nicht zwischen Tür und Angel, Überarbeitung und rarer Entspannung reinquetschen. Also lieber sagen: "Wenn ich eh schon spät dran bin, dann bringe ich es wenigstens so zu Ende, wie ich es angebracht finde." Ob die Auswahl an Filmen angebracht ist, könnt ihr diskutieren, müsst ihr aber nicht. Denn ich spreche hier aus vollem Herzen, und somit sind meine Top 15 völlig angebracht: Wer kann besser entscheiden, welche 15 Filme ich am meisten mag, und welche somit in dieses Ranking gehören, als ich selber?

Natürlich bin ich trotzdem gespannt, inwiefern ihr meine Hitliste nachvollziehen könnt, wo sie sich mit euren Countdowns deckt und was euch besonders überrascht. Bevor das Warten aber endlich ein Ende hat, zögere ich die Vorstellung meiner Top 15 jedoch noch ein letztes Mal hinaus. Mit weiteren Ehrennennungen: Ridley Scotts Der Marsianer - Rettet Mark Watney hat mich im Kino sehr gut unterhalten (und so ein Grinsen ins Gesicht gezaubert, dass mich die "Die Globes spinnen, den Film als Komödie zu sehen!"-Debatte mal am verlängerten Rücken küssen kann). Das 3D ist gut, die Songauswahl pointiert, Matt Damon spielt engagiert und Ridley Scotts Inszenierung ist rund. Aber so gewitzt das aus der spannenden Survival/Rettungsmission-Story entwachsende Dialogbuch sein mag: Schon beim ersten Rewatch hat mich der Film deutlich weniger gepackt und ja, die dramatischeren Passagen treffen mich so stark nicht, weshalb Der Marsianer knapp den Einzug ins Ranking versäumt hat. Mistress America von Noah Baumbach ist ein peppiges Vehikel für Greta Gerwig und Lola Kirke, das auf quirlige Weise Zeitgeist-Porträt mit Streitgespräch-Farce vermengt, nur blieb es nicht so intensiv in meiner Erinnerung haften wie die Filme aus dieser vierteiligen Jahresbestenliste. Mr. Holmesist eine kluge, durchaus spannende Auseinandersetzung mit dem Älterwerden und der Beziehung zwischen Erinnerung und Fiktion, und Die Highligen drei Könige ... macht trotz mancher Längen und manchmal fragwürdiger Schrulligkeiten einfach verdammt viel Spaß.

Doch die Top 15, die gefallen mir nochmal um ein Vielfaches besser. Hier sind sie ...

Platz 15: Ich und Earl und das Mädchen (Regie: Alfonso Gomez-Rejon)

Herzerwärmend, selbstironisch, Genrekonventionen aushebelnd und voller liebevoller Filmreferenzen. Und bei aller Überzeichnung sind die hier agierenden Figuren dennoch fähig, authentische, charmante Dialoge von sich zu geben: Die Romanadaption Ich und Earl und das Mädchen ist ein liebevoller, tragikomischer Indie-Genuss, der dezent nerdige Wohlfühlstunden bietet und in eine etwas verschrobenere, dennoch dramatische Version unserer schnöden Wirklichkeit entführt.

Platz 14: Steve Jobs (Regie: Danny Boyle)

Ein Mann. Drei Abschnitte in seinem Schaffen. Drei Kameras, drei Musikrichtungen, drei Bild- und Klangästhetiken. Der mitunter sehr hibbelige Regisseur Danny Boyle nimmt Aaron Sorkins Schnellfeuerdialoge und formt aus ihnen einen stilistisch überbordenden Film, der seinen Style mit Substanz unterfüttert. Michael Fassbender gibt eine intensive Performance als Jobs, der Innovator, Jobs, der Nachtragende und Jobs, der Träumer, sowie als Jobs, der Problemvater ab. Seth Rogen, Michael Stuhlbarg, Kate Winslet, ach, einfach der gesamte restliche Cast überzeugt ebenfalls rundum. Und dass Daniel Pemberton für seinen Score keine Oscar-Nominierung erhielt, ist richtig, richtig bedauerlich.

Platz 13: Whiplash (Regie: Damien Chazelle)


Jazz ist Krieg. Und Musik ist mehr Leiden als Leidenschaft: Damien Chazelle nimmt in Whiplash den filmischen Mythos des exzentrischen, doch wohlmeinenden Mentors und wirft ihn für eine ungewöhnlich nervenaufreibende Geschichte über Bord, in der J. K. Simmons auf meisterlichem Niveau herumbrüllen und Schüler verbal missbrauchen darf, während Miles Teller als talentierter Drummer völlig von seiner harten Ausbildung verschluckt wird. Mit gemeinem Witz, dramatisch-menschlichen Momenten, fetziger Musik und einem furios geschnittenen Finale ist Whiplash eine musikalische Tour de Force, die ihresgleichen sucht.

Platz 12: Mad Max: Fury Road (Regie: George Miller)

Wild. Wahnwitzig. Rasant. Rau. Verrückt. Stets vorwärtstreibend: George Millers vierter Mad Max-Film ist pures Actionkino, mit waghalsigen Stunts, explosiven Ideen, einer bombastischen Musikuntermalung, extrastylischen Bildern und einem dünnen Plot, der die dynamischen Bewegungen nur äußerst selten ausbremst. Das, was an offensichtlicher Handlung fehlt, kompensiert der durchgeknallte Australier mit Bände sprechender Ästhetik. Ob in den Kostümen, den Frisuren, den Requisiten oder den Schauplätzen. Hinzu kommen eine coole, taffe Charlize Theron und eine verdammt noch mal geile, Feuer speiende E-Gitarre! Ein einmaliger, regelrechter, doch eigenwillig denkender, fiebriger Action-Trip!

Platz 11: Heil (Regie: Dietrich Brüggemann)

Der fiebrige, verrückte, laute, schrille Cousin der kommerziell ungleich erfolgreicheren Buchverfilmung Er ist wieder da: Der in seinen vorhergegangenen Filmen so gesittet und geerdet vorgehende Regisseur Dietrich Brüggemann leiht sich einige Seiten aus Christoph Schlingensiefs Lehrbuch und zelebriert seine "Verflucht nochmal, wir dürfen die Rechte in Deutschland nicht aus den Augen lassen, und, gute Güte, wir müssen uns alle an die eigene Nase fassen, wenn wir eine offenere Gesellschaft wollen"-Botschaft als abgedrehte, gewollt überfrachtete (Pseudo-Trash-)Komödie. Dick überzeichnete Karikaturen rennen, stolpern und irren hier quer durch die Bundesrepublik, wahlweise, um die Bundesrepublik wieder in das (und nun alle schön das "R"-Rollen und zudem aus vollem Halse krächzen) rrrächtä Licht tzu rrrückän, oder um genau dies zu verhindern. Doch irgendwo hinter dieser hysterisch-manisch-zotig-ulkig-grotesken Oberfläche wartet eine treffgenaue Beobachtung, welche Konstruktion aus kleinen Zahnrädern den politischen Rechtsruck überhaupt ermöglicht. Vom nur nach schockierender Authentizität und rätselhaften Botschaften schielenden Kunstbetrieb hin zu den als Promoshows dienenden Talksendungen und der mitunter sehr hibbeligen Antifa und Polizisten, die eine sehr eigenwillige Prioritätenfolge haben. Wunderbar bescheuert, grell, einfallsreich, mutig und bei all den launigen Sketchen, die hier in die Handlung gewoben werden, trotzdem nicht auf den Kopf gefallen. Geiles Ding.

Platz 10: Birdman oder (Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit) (Regie: Alejandro González Iñárritu)

Willkommen im Verstand eines Schauspielers. Eines ehemaligen Superhelden-Megablockbuster-Darstellers, der nun auf den Brettern der Theaterwelt seine künstlerische Integrität retten will. Oder beweisen. Oder vortäuschen. Oder sich von seiner wahren Integrität ablenken will? Michael Keaton weiß jedenfalls, sämtliche potentielle Dimensionen dieses tragikomisch-satirischen Showbiz-Psychogramms zur Schau zu stellen. Verstärkt durch die hypnotische, mit ultralangen Plansequenzen punktende Kameraarbeit von Emmanuel Lubezki und einer lässigen, teils aggressiven Drum-Untermalung durch Antonio Sánchez raubt uns Alejandro González Iñárritu jegliches Gefühl dafür, was Analogie, was filmische Realität und was Vorstellung der handelnden Figuren ist - und erzeugt so eine einzigartige Erzählung über Hybris. Hybris unter Schauspielern. Unter Regisseuren. Unter Kritikern. Obendrein gibt es noch Emma Stone als leicht psychotische Star-Tochter und Edward Norton als ... ungeheuerlich komische Edward-Norton-Kopie. Aber was versuche ich überhaupt, diesen mehrfachen Oscar-Gewinner zu erläutern? Ein Film ist ein Film, und nicht, was ich über ihn schreibe!

Platz 9: A Most Violent Year (Regie: J. C. Chandor)

Wobei passionierte Hinweise auf nicht genügend geachtete Filme dennoch willkommen sind, also erkläre ich halt, welches Meisterwerk ein Großteil der Kinowelt versäumt hat, als er A Most Violent Year mit der kalten Schulter begrüßt hat: J. C. Chandor erschuf ein neues, mit stiller Suspense gestärktes Drama, wie es einst von Sidney Lumet gedreht worden wäre. Oscar Isaac trumpft als Geschäftsmann im Ölbusiness auf, der sich viel darauf einbildet, vollkommen fair und ohne jegliche Gaunereien den Weg nach ganz oben beschritten zu haben. Okay, abgesehen vom Frisieren seiner Steuer und manch überaus ausgefuchster, wenngleich legaler Geschäftstaktikten. Angesichts seiner teils sehr kriminellen Mitbewerber dennoch eine erstaunliche Leistung, die nun aber auf dem Spiel steht: Ausgerechnet er ist nun im Visier des neuen, ambitionierten Staatsanwalts in New York, und genau jetzt, wo er expandieren will, schrecken seine finanziellen Unterstützer zurück, während kurioserweise nur seine Öltanker überfallen werden. Chandor bleibt bei dieser moralisch komplexen Geschichte (hat Isaacs wortkarger, viel mit seinen Augen ausdrückender Protagonist diese Pechsträhne verdient, wird er seine moralischen Bedenken aufgeben, und wenn ja, wäre das gerecht?) auf dem Boden, verzichtet darauf, einen Scorsese-Gangsterstück zu inszenieren. Die spannendste Sequenz ist eine raffiniert gefilmte Verfolgungsjagd zu Fuß sowie ein Streitgespräch mit Jessica Chastain, die Isaacs Leinwandfrau mimt, die aus einer Gangsterfamilie stammt. Kühl, klug, klasse gefilmt.

Platz 8: Magic Mike XXL (Regie: Gregory Jacobs)

Nach dem (zumindest in meinen Augen) doppelzüngigen, sexnegativen ersten Teil ("Stripper ist ein Drecksjob, alle drogenabhängig und verlogen, fang damit gar nicht erst an ... Oh, guck mal, haben wir hier nicht 'ne geile Tanzsequenz?!") habe ich praktisch gar nichts von der Fortsetzung erwartet. Und prompt wurde sie die wohl größte Überraschung des Jahres 2015: Statt des außerhalb der Tanzszenen steifen Channing Tatum gibt es hier Charmebolzen-Tatum zu sehen, der den Titelhelden als zwar nicht gerade hochintelligenten, wohl aber aufgeweckten, einfühlsamen Beau mit dezent geknicktem Ego anlegt. Wo im Erstling die Chemie zu seinem Co-Star Alex Pettyfer verpestet war, regiert hier ein launiges Zusammenspiel engagierter, gut aufgelegter Typen - insbesondere Joe Manganiello besticht neben Tatum mit einer verschmitzten Performance. Und die ach-so-betont-dramatische Handlung, der durch die geifernde Inszenierung der Standard-Stripsequenzen ein Beinchen gestellt wurde, wird gegen einen amüsanten Road-Trip eingetauscht. Bloß, dass es dieser ganz heimlich faustdick hinter den Ohren hat und in den Dialogen und Stripszenen darüber referiert, wie auch im Erotikbusiness Selbstverwirklichung möglich ist. Sowie eine größere, weniger abgedroschene Zufriedenstellung der Kund(inn)en. Gewürzt mit einer saukomischen, ironischen Musikauswahl (Oh ho ... Like an oreo ...), einer umwerfend peppigen Jada Pinkett Smith, einer erstaunlich normalen, charmanten Amber Heard und richtig, richtig originellen Tanzeinlagen ergibt dies ein wirklich scharfes Paket von einem Film. Hut ab!

Platz 7: A World Beyond (Regie: Brad Bird)

Es gibt Filme, die werden Kritiker-Flops, und ich kann mir erklären, weshalb sie verrissen werden, selbst wenn sie in meinen Augen große Qualitäten aufzuweisen haben. Heil ist solch ein Fall. Bei A World Beyond derweil kann ich mir noch so viele negative Kritiken durchlesen, ich kann schlicht nicht verstehen, was da meine Kolleginnen und Kollegen, die diesen Film brutal abstrafen, bitte gesehen haben wollen. Ich kann es nachvollziehen, wenn man dieses nostalgische Abenteuer, das mit seiner schwelgerischen Weltsicht und seinen gewitzten Kinderfiguren in den 80ern noch von Steven Spielberg gedreht worden wäre, nicht liebt. Aber es als reaktionär, spießig oder lahm zu bezeichnen? Naja, jedem das Seine. Ich finde Brad Birds farbenfrohe Science-Fiction-Geschichte mit ihrem schmissigen Dialogwitz, ihren sympathischen Hauptfiguren und seinem 50er-Jahre-Futurismus-Look sowie seiner eingängigen, bezaubernden Musik aus der Feder Michael Giacchinos richtig toll. Ja, kleinere Längen haben sich eingeschlichen, aber wenn Raffey Cassidy als Athena verbal und non-verbal austeilt, Britt Robertson als Casey Newton immer wieder munter nach vorne guckt und George Clooney wieder einmal den liebenswerten Grummel-Clooney auspackt, dann habe ich großen, großen Spaß. Und, ja, die Disney-Referenzen helfen mir, das Ganze noch mehr zu genießen. Meckert ihr nur!

Platz 6: Ex_Machina (Regie: Alex Garland)

Sunshine-Drehbuchautor Alex Garland legt mit seinem Regiedebüt ein ungeheuerlich starkes Brett hin: Ex_Machina ist einer dieser Filme, die sich auf zahlreiche Weisen beschreiben lassen, und sie alle werden ihm gerecht. Es ist ein Low-Sci-Fi-Kammerspielthriller über den Angestellten eines exzentrischen IT- und Robotik-Genies, das eine Künstliche Intelligenz entwickelt hat und diese überprüfen lassen will. Durch das beklemmende Setting, das unberechenbare Handeln des von Oscar Isaac gespielten Erfinders Nathan und die kühle, mal einschüchternde, mal eingeschüchterte Art der von Alicia Vikander beeindruckend gespielten Ava schürt Garland eine dichte Atmosphäre und erschafft eine dichte Spannung, so dass es schwer fällt, nicht um Domhnall Gleesons Caleb zu bangen. Doch Ex_Machina ist mehr als nur ein Spannungsfilm. Es ist auch eine Auseinandersetzung damit, inwiefern unsere alltägliche Ethik auf Künstliche Intelligenzen zutrifft, womit, je nach Sichtweise, auch die mit erstaunlichen Spezialeffekten zum Leben erweckte Ava zur Triebfeder der mitleidenden Anspannung wird. Und neben all dem ist Ex_Machina vor allem eine tiefgreifende Analogie über Genderdenken sowie die Stolperfallen unserer patriarchalen Gesellschaft. Oder habt ihr geglaubt, dass es ein Zufall ist, dass hier ein chauvinitisches, sich aufspielendes Männlein sowie ein überbetont freundlich-einfühlsamer Bube glauben, diejenigen zu sein, die ein mit gemeinhin als feminin aufgefassten Merkmalen ausgestattetes Wesen definieren können, dürfen und müssen?

Platz 5: Into the Woods (Regie: Rob Marshall)

Ein ungewöhnlicher, schwieriger, komplexer Film. Nicht, dass die Handlung besonders kompliziert sei: Ein Bäcker und seine Frau wollen endlich ein Kind haben, weshalb sie versuchen, den Fluch einer Hexe aufzuheben. Währenddessen kreuzen sie den Weg diverser bekannter Märchenfiguren ... und blicken hinter die tradierte Heile-Welt-Fassade. Doch als Gesamtwerk ist Into the Woods schwer einzuordnen. Ist er eine disneyhafte Entschärfung der Vorlage (der böse Humor wird klar minimiert) oder ist er eine für dieses Studio rare Dramatisierung (der böse Humor wird klar minimiert). Ist es Marshalls bühnenhafteste Musicaladaption (die Kamera ist ruhiger als vom Chicago-Regisseur gewohnt, der Schnitt nicht so musikvideohaft) oder ist es eine sehr filmische Übersetzung des Sondheim-Musicals (der sehr theateraffine Aufbau des Stücks wird stark gebrochen)? So oder so ist es ein Film, der genau meinen Nerv trifft. Komplexe, facettenreiche Songs. Ein großartiger Cast, unter anderem bestehend aus einer liebenswürdigen Emily Blunt, einer humorvollen Anna Kendrick, einer wunderbar rotzig-goldigen Lilla Crawford, einem herrlich schmierigen Chris Pine, der unfassbaren Meryl Streep und einem kuriosen Johnny Depp als Pädo-Wolf. Scharfzüngige Dialoge, ein märchenhaft-grimmer Look und eine Story, die mit emotionalen Höhen und Tiefen aufwartet. Ein sperriger Film, bei dem ich genau verstehe, weshalb manche Filmfreunde nicht warm mit ihm werden. Ein ungewöhnlicher Film, von dem ich denke, dass man ihn wenigstens respektieren sollte. Und ein Gesamtpaket, das wie auf mich zugeschnitten ist!

Platz 4: Avengers: Age of Ultron (Regie: Joss Whedon)

Wilder als Marvel`s The Avengers. Durchgeknallter. Vollgestopfter. Dramatischer. Ungewöhnlicher. Und dennoch auch lustiger. Age of Ultronübertrumpft den ersten Teil in ziemlich allen Belangen, abgesehen von der Zugänglichkeit. Age of Ultron kommt schneller in Gang, hat aufregendere Schauplätze und da die Avengers bereits eine eingespielte Gemeinschaft sind, mit kleinen Kabbeleien und mit durch gemeinsame Erfahrungen gestützten Sympathien, gibt es auch allen "Was haben wir nur getan?!"-Bedrohungen zum Trotz mehr genüsslich-amüsanten Dialogspaß. Es ist ein wenig albern, das Gefühl zu haben, einen Milliarden-Dollar-Hit verteidigen zu müssen, aber: Der Backlash bezüglich der Black-Widow-Szenen lässt mich ratlos zurück. Nein, es ist nicht sexistisch, wenn "Die Frau nun natürlich verknallt ist". Sexistisch ist Ungleichbehandlung, und nachdem alle anderen Avengers ein romantisches Leben erhalten haben, wieso darf nicht auch Natasha darüber nachdenken, ob sie vielleicht mehr für einen Freund empfindet? Und wieso darf ein Superheldenblockbuster nicht genutzt werden, um zu sagen, dass Frauen selber die Entscheidungsgewalt über ihren Körper haben sollten? Naja, was soll's. Ultron rockt, einer der lustigsten Schurken im Marvel-Universum und endlich einer mit Persönlichkeit. Außerdem: Die Party-Szene. Die allein ist schon spitze!

Platz 3: Baymax – Riesiges Robowabohu (Regie: Don Hall & Chris Williams)

2013 hat Die Eiskönigin - Völlig unverfroren nur knapp meine Flopliste verpasst. Lass jetzt los ist einfach ein zu guter Song, um zuzulassen, dass "sein" Film in der Flopliste landet. Selbst wenn alles um Elsas Powersong herum diese Abstrafe verdient gehabt hätte. Baymax - Riesiges Robowabohu hat 2015 zum die Disney-Ehre in meiner Welt verteidigt! Don Hall und Chris Williams entführen uns in diesem animierten Superheldenfilm über Freundschaft und Trauerbewältigung in eine wunderschöne, aufregende, farbenfrohe Großstadtwelt - und formen mit dem Gesundheitspflegeroboter Baymax eine neue Disney-Figur, die direkt so tief in mein Herz watschelte, dass sie nunmehr zu meinen liebsten Disney-Schöpfungen zählt. Aber ich liebe nicht nur den gutherzigen, umsorgenden Baymax und die großartige Stadt San Fransokyo, sondern auch die kreativen Actionszenen, die pointierten Dialoge, den knuffigen Slapstick sowie, vor allem, diese so glaubwürdige, herzliche Art, mit der Hall & Williams das Thema Tod (und vor allem die Wochen und Monate nach dem Ableben eines geliebten Menschen) anpacken. Einfach ein richtig, richtig schöner Film!

Platz 2: Star Wars – Das Erwachen der Macht (J. J. Abrams)

Rey! Poe! Finn! BB-8! Kylo Ren! Der neue Star Wars-Film nimmt ein uns bereits bekanntes Universum und bevölkert es mit neuen, aufregenden Figuren, deren Interaktion einen großen Sehgenuss darstellt und den Actionsequenzen eine emotionale Tragweite gibt. Bildhübsche Kameraarbeit, ikonische Soundgestaltung, einfallsreiche Szenenübergänge und obendrein Harrison Fords engagierteste Leinwandleistung seit, was, zehn, fünfzehn Jahren? John Williams' Score könnte die neuen Themen etwas prominenter einsetzen, und R2-D2 hat hier was von einem Deus-Ex-Machina-Droiden, dafür hat J.J. Abrams' Franchiseneustart einen gewaltigen Gänsehautschluss sowie Schauspielleistungen, die weit über dem Genrestandard schweben. Nun bleibt nur die Frage: Wie geht es weiter?

Platz 1: Alles steht Kopf (Regie: Pete Docter)

Ich habe gelacht. Ich habe geweint. Ich habe darüber geschmunzelt, wie oft ich gerührt war. Ich habe Freudentränen vergossen. Ich habe über den visuellen Ideenreichtum gestaunt. Ich habe innerlich gejubelt, wie wunderschön, eingängig und emotional komplex Michael Giacchinos Musik ist. Ich habe mir gewünscht, den perfekt gestalteten, so aussagekräftigen Emotionen in Rileys Kopf noch stundenlang zuschauen zu können. Ich wollte ihn mir sofort noch einmal anschauen. Und noch einmal. Und noch einmal. Pixar, mal besonders introspektiv. Und urkomisch. Und aufwühlend. Und dabei noch auf gestalterischer Ebene so schlüssig und stimmig. Ein Meilenstein der Trickkunst!

Das war es nun also! Auf dass die kommenden Monate für mich entspannter werden und uns allen noch jede Menge Spitzenfilme bescheren. Und auf dass meine Topliste 2016 noch vor den Oscars 2017 fertig wird!

The Hateful Eight

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Die Uhr tickt: Auf einer Konferenz im Rahmen des American Film Market kündigte Quentin Tarantino während der Vorbereitungen zu The Hateful Eight an, damit zu liebäugeln, „eine 10-Filme-Filmografie“ zu hinterlassen. Somit befinden wir uns bereits auf dem Zielgeraden von Tarantinos cineastischen Schaffen – denn wie eine Titeleinblendung im Vorspann dieses winterlichen Western-Rachekammerspiels (vor diesem Hintergrund sehr bedrohlich) festhält, ist The Hateful Eight bereits sein achter Film. Ein Silbertreifen am Horizont bleibt allerdings: Tarantino ist bekanntlich ein Künstler, der häufig seine Meinung ändert – ein Blick auf die lange Liste von ihm angekündigter Projekte, die er letztlich hat fallen lassen, genügt als Beweis. Daher dürfen Cineasten hoffen, dass sich der frühere Videothekar noch, ganz typisch für ihn, umentscheidet. Sollte sich Tarantino aber in die Vorstellung verbeißen, nach zehn Kino-Regiearbeiten in den Ruhestand zu gehen, so beginnt der Kultfilmer seinen Endspurt wenigstens mit einem wahrlich denkwürdigen, ungewöhnlichen Kleinod:

Wenige Jahre nach dem US-Bürgerkrieg begibt sich der Kopfgeldjäger Major Marquis Warren (Samuel L. Jackson) auf den Weg nach Red Rock. Da sein Pferd dem unwirschen Winterwetter nicht gewachsen war, will sich Warren bei einer Kutschfahrt einklinken, die sein legendärer Mitbewerber John Ruth (Kurt Russell) nur für sich und seine Gefangene Daisy Domergue (Jennifer Jason Leigh) gebucht hat. Ruth misstraut Warren zunächst, bis er sich an ein gemeinsames Abendessen erinnert, und genehmigt ihm daher, mitzufahren. Unterwegs treffen die Kopfgeldjäger und ihre rotzfreche, unfreiwillige Begleitung auf den früheren Tunichtgut Chris Mannix (Walton Goggins), der behauptet, der neue Sherriff von Red Rock zu sein. Ruth und Warren zweifeln dies an, sehen sich aber gezwungen, ihn ebenfalls mitfahren zu lassen. Da ein Schneesturm aufzieht, endet die Kutschfahrt in „Minnies Miederwarenladen“, wo sie vom wortkargen Mexikaner Bob (Demián Bichir), dem stets amüsierten Briten Oswaldo Mobray (Tim Roth), dem genervt dreinblickenden Cowboy Joe Gage (Michael Madsen) und dem ehemaligen Konföderiertengeneral Sanford Smithers (Bruce Dern) begrüßt werden. Eine explosive Gesellschaft …

Abgesehen von Quentin Tarantino wäre wohl kaum ein heutiger Regisseur auf die Idee gekommen, diese Story nicht in einem normalen, schmalen Bildformat und der Einfachheit halber mit digitalen Kameras zu drehen, sondern im extrabreiten Ultra-Panavision-Format und auf analogem 65mm-Filmmaterial. Letzteres stellt für ein dialoglastiges Kammerspiel eine große Herausforderung dar, der heutzutage viele Filmemacher aus dem Weg gehen: Digitalkameras können sehr viel mehr Material am Stück aufnehmen als analoge Kameras, welche mit schweren Filmrollen bestückt werden müssen und so zwangsweise an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Nicht zuletzt bei Filmen, in denen redselige Figuren ellenlange Monologe von sich geben, bevorzugen daher mehr und mehr Kinoschaffende den digitalen Weg.

Nicht aber der Nostalgiker Quentin Tarantino: Dank spezieller, 600 Meter Film fassender Rollen konnte er bei The Hateful Eight auch im Ultrabreitbildformat lange Szenen von bis zu sieben Minuten Laufzeit am Stück drehen. Dies erforderte zwar noch immer höhere Konzentration und akkuratere Planung als unter Verwendung der unkomplizierteren Digitaltechnik, aber für den Pulp Fiction-Regisseur ist dies ein bezahlbarer Preis, um der klassischen Filmkunst auch heute noch Tribut zu zollen. Zumal Tarantinos Begeisterung für 70mm-Bilder keine alleinige Prinzipienfrage ist: 70mm-Film erlaubt eine vergleichbare Bildschärfe wie Spitzen-Digitalkameras, gibt Tiefe, Farbe und Licht jedoch ganz anders wieder, so dass sich eine mittlerweile ungewohnte (fast schon expressionistische) Ästhetik ergibt.

Gerade, weil zu den wenigen Ultra-Panavision-Veröffentlichungen solche Epen wie Meuterei auf der Bounty und die verwegene Freiluft-Slapstickkomödie Eine total, total verrückte Welt zählen, besteht die Vorstellung, das Breitwandformat von 1:2,76 sei nur bei spektakulären Landschaftsbildern sinnig. Aber The Hateful Eight straft dies als Irrtum ab: Selbstredend weisen die unter freiem Himmel spielenden Szenen die Bildgewalt auf, die aufgrund der verwendeten Technologie zu erwarten steht. Allerdings zeigt das äußerst breite Bildformat in den zahlreichen Momenten, die in geschlossenen Räumen spielen, sogar noch mehr Wirkung.

Ob in einer Kutsche im rustikalen Edel-Look oder später in Minnies Miederwarenladen: Sehr häufig nimmt die von Robert Richardson (JFK – Tatort Dallas) geführte Kamera nicht nur die gerade verbal ausschweifende Figur in den Fokus, sondern gleichzeitig noch einen oder gar mehrere Zuhörer. Dass sogleich mehrere der Darsteller in all der ihnen gebührenden Größe nebeneinander zu sehen sind, erlaubt es dem Zuschauer, nicht nur auf den Sprecher zu achten, sondern auch auf die Reaktionen, die er provoziert. Angesichts dessen, dass The Hateful Eight ein harsche Dramatik und bitterbösen Humor mischendes Kammerspiel über die Diskrepanz zwischen Selbstdarstellung und wahren Absichten und über korrumpierte Moralvorstellungen ist, erweist sich diese inszenatorische Ausrichtung als überaus ergiebig: Wie im Theater lassen sich gleichzeitig mehrere Performances bis ins kleinste Detail begutachten, was die Spannung ungemein erhöht – stets stellt sich die Frage: Wann entlädt sich die in dieser Gruppe anstauende Wut? Gerade aufgrund der Doppelbödigkeit der von Tarantino erdachten Persönlichkeiten lädt dies zudem zu wiederholten Sichtungen dieses Films ein, um beim ständigen Aktion-Reaktion-Wechselspiel nach Nuancen Ausschau zu halten, die einem zuvor entgangen sind.

Des Weiteren gestattet es das ultrabreite Bild dem liebevoll sowie abwechslungsreich ausgestatteten Laden, in dem die titelgebenden acht hasserfüllten Personen unterkommen, zu einem weiteren Charakter dieser Produktion aufzusteigen: Im Hintergrund gibt es stets etwas zu entdecken, und oft wissen diese Randdetails die Stimmung der jeweiligen Szene unterstreicht. Da in einigen Einstellungen (anders als in vielen Filmen mit „normalem“ Format) mehrere Wände auf einmal zu sehen sind, erzeugen Tarantino und Richardson ganz beiläufig das Gefühl des Eingeschlossenseins. Durch die noch obendrauf kommende, lange Laufzeit von The Hateful Eight ist es fast so, als wäre man wirklich stundenlang mit den ikonisch eingekleideten, imposante Manierismen an den Tag legenden, hundsgemeinen Figuren in einem Raum gefangen.


Anders als in Tarantinos Debüt Reservoir Dogs ist dies aber keine kultig-lässige Erfahrung. Denn obwohl es das gesamte Ensemble sichtbar genießt, die einprägsamen Textzeilen aufzusagen und überlebensgroße, getragene Rollen zu spielen, ist The Hateful Eight kein derart vor Coolness und Style triefender Film wie von Tarantino gewohnt. Nicht missverstehen: Tarantino ohne seinen lockeren Style gibt es nicht, im Gegensatz zu den bisherigen Werken des Oscar-Preisträgers suhlt sich dessen Regiearbeit Nummer Acht allerdings in einer durch und durch garstigen Weltsicht. Reservoir Dogs hat augenzwinkernde Dialoge, Pulp Fiction eine comichafte Gelassenheit, Jackie Brown eine relativ klare Moral, Kill Bill illusorische Qualitäten, Death Proof einen triumphalen Powerfrauen-Aspekt und Inglourious Basterds sowie Django Unchained pfuschen als Rachefantasien sogar in der Geschichtsschreibung herum, um für freudig grinsende Gesichter im Kinosaal zu sorgen. The Hateful Eight verfügt ebenfalls über herrlich freche Sprüche und Vulgaritätsspitzen, wie sie Tarantino liebt – unterm Strich bleibt trotzdem die Erkenntnis: Was leben wir nur in einer garstigen Welt!

Frauenhasser, Gewaltfetischisten, Lügner, Rassisten und Gesetzesfreunde, die ihre Heldenhaftigkeit durch abartiges Benehmen untergraben: Bei den Figuren, die Tarantino auf sein Publikum loslässt, war niemals zuvor der Filmtitel so programmatisch wie bei The Hateful Eight. Ähnlich tickende Rollen gab es bei Tarantino schon immer. Doch verzeihliche Qualitäten sind im Figurenrepertorie dieses winterlich-harschen Westerns rar gesät – anders als bislang gewohnt. Daher kommt es nicht all zu überraschend, dass nach den wirtschaftlichen Höhenflügen der beiden vorhergegangenen Tarantino-Filme in den USA wieder kleinere Einnahmen zu Buche stehen. Sympathieträger sucht man vergebens – wer Identifikationsfiguren benötigt, um mitfiebern zu können, wird von The Hateful Eight sicherlich enttäuscht sein. Die magnetischen Darbietungen der Schauspielrunde (vor allem Samuel L. Jackson, Jennifer Jason Leigh, Kurt Russell, Tim Roth und Walton Goggins stechen hervor) und die berechtigt-selbstverliebten Dialoge sollten alle anderen Filmliebhaber unterdessen in ihren Bann ziehen.

Hinzu kommen eine Musikzusammenstellung, die wie die Faust aufs Auge passt (inklusive neu für den Film geschriebener, psychotischer Melodien aus der Feder von Komponistenlegende Ennio Morricone) und wunderbar fiese Gewaltspitzen, die diesem Mammut von einem Westerndrama zusätzlich Energie verleihen. Es mag nicht Tarantinos größer Hit sein – dennoch werden gewiss noch Generationen von Filmliebhabern diese gemeine, auf derber Weise unterhaltsame, raffinierte Studie charakterlicher Untiefen rauf und runter analysieren. Und das völlig zu recht, denn The Hateful Eight ist ebenso tiefgreifend und kess, wie sein Bildformat altmodisch und breit ist.

Fazit: The Hateful Eight ist ein waschechter Quentin Tarantino – nur besonders lang und besonders harsch: Kunstvolle, stilisierte Dialoge, überlebensgroße Figuren und verquere, durchdachte Beobachtungen über die menschliche Moral. Das ist ebenso kultig wie böse!

Meine Top 5 der Videospielfilme

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Videospielverfilmungen sind wieder in aller Munde. Oder zumindest innerhalb der Filmfancommunity wieder ein heißes Gesprächsthema: Aktuell kämpft Warcraft: The Beginning darum, ein großes Publikum in die Säle zu locken und so das Stigma floppender Videospieladaptionen in alle Winde zu zerstreuen. Zudem ging erst kürzlich der Trailer zu Assasin's Creed online, der (trotz diskutabler Musikuntermalung) durchaus Hoffnungen auf eine ansprechende Action-Agenteuergeschichte mit guten Darstellern macht. Und dann ist da ja noch Angry Birds - Der Film, der zwar nicht den gewaltigen finanziellen Überknaller darstellt, den sich Sony einst bei der Ankündigung gewiss ausgemalt hat, der aber sehr wohl beachtliche Zahlen schreibt.

Grund genug, mir eine ruhige Minute zu nehmen und aus der großen Auswahl an Videospielverfilmungen meine fünf Favoriten zu küren. Dabei habe ich mir als Regel gesetzt, pro Franchise nur einen Film auszuwählen. Und Filme über Videospiele gelten nicht, also leider kein Tron oder Tron: Legacy in denen neue Spiele erschaffen, statt bereits erschienene adaptiert werden. Es müssen schon real existierende Videospiele zu cineastischem Leben erweckt werden. Nun dann ... los geht's!

Platz 5: Angry Birds - Der Film (Regie: Clay Kaytis & Fergal Reilly)

Die Verfilmung der Spiele-App Angry Birds ist schwach. Sie hat so ihre ulkigen Momente, insbesondere in der dank Christoph Maria Herbst mit trockenem Sarkasmus aufwartenden deutschen Synchronfassung. Dennoch gibt es viel Leerlauf zu erdulden, während das Chaosfinale irgendwann seinen Reiz zu sehr in die Länge zieht und der Mittelteil dann und wann seine innere Logik auf Standby schaltet. Dennoch: Die Animation ist solide und manch absurder Gag trifft. Angesichts der bislang noch sehr wackligen Lage, in der sich Videospieladaptionen befinden, reicht das für Rang fünf.

Platz 4: Resident Evil: Retribution (Regie: Paul W.S. Anderson)

Ich sehe vor meinem inneren Auge schon die fauligen Tomaten, die ihr gerade gen Monitor, Tablet oder Smartphone schmeißt. Und während ich mich wundere, wo ihr die so plötzlich her habt, zucke ich mit den Schultern und sage: Anderson mag (von Film zu Film immer mehr) die Vorlage mit Füßen treten. Doch seine stylischen, mit toll choreografierten Kämpfen und (später) mit tollem 3D aufwartenden, kleinen, bescheuerten Zombie-Actioner sind nicht nur total Banane, sondern zumeist auch sehr unterhaltsam. Und somit haben sie dem Großteil der bisherigen Videospielverfilmungen einen bis drei Schritte voraus. Der bislang jüngste und (voraussichtlich/angeblich) vorletzte Teil der Reihe gefällt mir am meisten: Er wirft die Alibihandlung über Bord und konzentriert sich allein auf Look, Sound und Action. Darüber hinaus mag er eine dürftige Umsetzung des Resident Evil-Spielemythos sein, als Videospielfilm trumpft er dennoch auf, denn mit seinen Settingsprüngen imitiert Resident Evil: Retribution wunderbar die Level-Logik vieler Games. Hier ist das Lava-Level. Das Großstadt-Level. Das Vorstadt-Level. Das kühle Sci-Fi-Basis-Level. Das Finale!

Platz 3: Need for Speed (Regie: Scott Waugh)

Nach dem großen Qualitätssprung zwischen Platz fünf und Platz vier folgt hier ein noch deutlicher Hopser: Scott Waughs benzingetränkte Blechschadensause Need for Speed mag an den Kinokassen untergegangen sein und wurde zudem von Kritikern verlacht. Aber ihr habt doch alle keine Ahnung! Der auf haptische, turbulente Autostunts setzende Regisseur nimmt die "Glaubwürdiger als Mario Kart, aber mit nachgiebigerer Physik als Gran Turismo"-Logik des Arcade-Style-Rennfranchises und zelebriert eine altmodische, manchmal pathetische, zumeist aber extrem launige Autorennaction, die zumindest in meinen Augen die gesamte Fast & Furious-Saga Staub schlucken lässt. Darauf erstmal ein Bier, und zwar ein gutes!

Platz 2: Prince of Persia: Der Sand der Zeit (Regie: Mike Newell)

Verdammt noch eins, was habe ich diesen Film lieb! Gewiss, dieser klar unter den Erwartungen laufende, nie die geplante Fortsetzung erhaltende Jerry-Bruckheimer-Abenteuerspaß könnte zwischendurch einen Hauch zügiger voranschreiten und das Finale verlässt sich etwas zu stark auf reines Effektgewitter. Aber mit einem charismatischen, augenzwinkernden Jake Gyllenhaal in der Hauptrolle, einer kessen Gemma Arterton in der weiblichen Hauptrolle und einem immens amüsanten Alfred Molina als Tagelöhner mit gutem Herzen sowie mit tollen Kampfsequenzen rund um Steve Toussaint hat diese Kreuzung aus Abenteuerromantik-Nostalgie und modernem, ironisch gewürztem Blockbuster-Pomp allerhand zu bieten. Eine tolle Kameraarbeit, ein schwelgerischer Score und kecker Dialogwitz sind ebenfalls Teil dieses unterschätzten Gesamtpakets. Aber nein, die Welt wollte den Film ja unbedingt ignorieren, also gibt es halt kein Sequel. Tzzz ...

Platz 1: Ralph reicht's (Regie: Rich Moore)

"Du mogelst!", wird nun sicher mancher von euch in den Raum brüllen. Aber was kann ich dafür, wenn der beste Film, in dem Videospielschöpfungen zu den handelnden Figuren gehören, ein Disney-Animationsmeisterwerk ist, in dem die zentralen Rollen an neu geschaffene Persönlichkeiten gingen? Ralph reicht's ist eine wunderschöne Geschichte darüber, wie sehr unsere Tätigkeit unsere Position in der Gesellschaft und unser Selbstwertgefühl beeinflussen kann, und obendrein eine äußerst spaßige Buddy-Komödie, in der halt auch diverse Videospiel-Kultfiguren zu sehen sind. Schade, dass Ralph reicht's (gefühlt) nur eine kleine Disney-Fandom-Halbwertszeit hatte. Aber vielleicht wird der solide Hit irgendwann wiederentdeckt und bleibt dann länger im gemeinschaftlichen Gedächtnis haften?

X-Men: Apocalypse

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Lang habe ich gehadert, ob ich eine Kritik zu X-Men: Apocalypse verfassen sollte. Schließlich habe ich genug mit aktuellen Reviews zu Filmen zu tun, die ich in Pressevorführungen sah. Allerdings hallt mein Gefühl, das ich während meiner rein privaten Sichtung des neuen Bryan-Singer-Films hatte, so lange nach, dass ich ihm Luft machen muss. Denn in meinen Augen hat Singer es tatsächlich geschafft, seinen "Nachfolger" Brett Rattner zu toppen und den schlechtesten Film in der nunmehr sechsteiligen X-Men-Hauptsaga abzuliefern: X-Men: Apocalypse hat ungefähr so viele Qualitäten wie X-Men: Der letzte Widerstand (nämlich nahezu gar keine), teilt sich mit ihm viele, viele Schattenseiten, ist aber obendrein auch noch deutlich länger, ohne diese zusätzlichen Minuten Laufzeit rechtfertigen zu können ...

Die Story
Wir befinden uns im Jahr 1983 in der durch die Geschehnisse aus X-Men: Zukunft ist Vergangenheit losgetretenen Zeitlinie: Apocalypse (Oscar Isaac), möglicherweise der erste Mutant der Geschichte, erwacht nach Jahrtausenden des Schlummers und beschließt, die Welt zu zerstören. Dies, wie es sich für ihn geziemt, in Begleitung von vier Gefolgsleuten. Als seine vier Reiter erwählt er Storm (Alexandra Shipp), Psylocke (Olivia Munn), Magneto (Michael Fassbender) und Charles Xavier (James McAvoy). Um den Weltuntergang abzuwenden, raufen sich daher zahlreiche junge Mutantenschüler Xaviers zusammen, darunter die ihre Kräfte noch nicht kennende Jean Grey (Sophie Turner), der erst seit wenigen Tagen seinen explosiven Laserblick verstehende Cyclops (Tye Sheridan) und der erst kürzlich von Mystique (Jennifer Lawrence) aus einem ostdeutschen Mutanten-Kampfklub befreite Nightcrawler (Kodi Smit-McPhee). Auch Magnetos unehelicher Sohn Quicksilver (Evan Peters) schließt sich der Truppe an, um endlich eine Bindung zu ihm aufzubauen ...

"Na gut, wenn es denn sein muss ..."
Nach Erste Entscheidung und Zukunft ist Vergangenheit, in denen die meisten der Darsteller schauspielerische Leistungen weit über dem von Superheldenfilmen gewohnten Maß von sich gegeben haben, ist Apocalypse eine knallharte Klatsche: Ein Großteil der Wiederkehrer aus der "Retcon-Trilogie" spult in diesem Mutantenepos seine Zeilen lustlos runter. Vor allem Jennifer Lawrence erweckt mit einem dauerdemotivierten Blick den Eindruck, lieber irgendwo anders zu sein, als am X-Men-Set - da Mystique in Apocalypse angeblich eine getriebene, frustrierte Ikone ist, die vor den Mutantenjägern flieht, ist das nicht gerade eine der Spannung sowie der Glaubwürdigkeit förderliche Performance. Doch auch Nicholas Hoult und Lucas Till schauen desinteressiert aus der Wäsche, während James McAvoy Xavier zwar wenigstens Persönlichkeit verleiht, allerdings ebenfalls eher auf Autopilot agiert und schlicht in geschätzt 80 Prozent seiner Szenen mit traurigem Hundeblick die Verletzlichkeit seiner Rolle herauskehrt. Weitere Facetten Xaviers bringt McAvoy nur andeutungsweise zum Vorschein, selbst dann, wenn das so flache Skript ausnahmsweise Gelegenheit dazu gibt.

Einzig Fassbender gibt sich aus der Riege der Erste Entscheidung-Generation sichtlich Mühe, selbst wenn er ebenfalls mit teils nichtssagendem Material zu kämpfen hat (sobald Magneto von Apocalypse rekrutiert wird, blickt er praktisch ohne Unterlass "seelenlos, aber entschlossen" gen Horizont). Da Magneto aber (einmal mehr) mit seiner tragischen Kindheit konfrontiert wird und (schon wieder) vorgeführt wird, dass das Schicksal liebend gern Jojo mit ihm spielt, kann Fassbender zumindest in diesen Passagen in die Tiefe gehen und eine von Grund auf erschütterte Persönlichkeit formen.

Ein Schurke ohne Sinn und Verstand
Eine Superheldengeschichte ist nur so gut wie ihr Schurke - diese Binsenweisheit erwies sich spätestens mit dem Aufstieg des Marvel Cinematic Universe als veraltet. Schließlich scheitern die Marvel Studios wiederholt daran, einen denkwürdigen Fiesling zu erschaffen, und trotzdem wissen Filme wie Guardians of the Galaxy zu begeistern, während Thor mit Loki einen hoch angesehenen Schurken aufweist, aber nur eine mäßige Produktion darstellt. Dennoch kann es zweifelsfrei nicht schaden, einen guten Fiesling zu präsentieren, insbesondere, wenn er die Titelfigur darstellt und das extralange, extramonotone Finale dominiert. Aber leider ist Apocalypse eine ungeheuerlich lahme Figur: Oscar Isaac verschwindet unter Tonnen an inkonsistentem Make-up und hat als einzigen Charakterzug ... tja ... Es ist schwer, auch nur einen Aspekt von Apocalypses Persönlichkeit festzuhalten. Er will die Welt zerstören, und hat dazu noch weniger Motivation als die Dunkelelfen aus Thor: The Dark Kingdom. Seine Fähigkeiten sind obendrein schwammig definiert, so dass der abschließende Endkampf daraus besteht, dass die Helden so lange auf ihn eindreschen, bis nicht nur ich als Zuschauer sämtlichen Sinn aus meinem Leib geschlagen bekommen habe. Die zwei Neuen unter seinen Gefolgsleuten sind kaum besser: Während Magneto und Xavier von Apocalypse stabile Ausrüstungen erhalten, laufen Storm und insbesondere Psylocke wie Dead or Alive Xtreme Beach Volleyball-Flittchen herum und dürfen entweder überheblich-genervt (Storm) oder aufgegeilt-genervt (Psylocke) aus der knapp bemessenen Wäsche schauen. In Kombination mit den teils halbgaren Computereffekten führt dies dazu, dass die sich um Apocalypse drehenden, actionreichen Momente dieses Films klar die schwächsten sind, während sich die "Xavier findet neue Schüler und Magneto ein neues Leben"-Passagen wenigstens erdulden lassen.

Rare Beinahe-Lichtblicke
Wie schon in Zukunft ist Vergangenheit dreht sich eine er einfallsreicheren Actionszenen um Evan Peters alias Quicksilver. Aber im Gegensatz zur von vorne bis hinten durchdachten Sequenz im Vorgänger hat Quicksilvers zweiter großer Moment eine gigantische, nicht aber ironisch aufgezogene Ton-Bild-Schere: Die albern-verspielte Rettungsaktion, die Quicksilver in Apocalypse durchzieht, wird durch das atmosphärisch-dunkle Sweet Dreams untermalt - eine lahme Wahl. Ein weiterer Beinahe-Lichtblick ist Erste Entscheidung-Veteranin Rose Byrne, die mit Engagement, Charme und Freude im ersten Akt die Exposition liefert ... und daraufhin durch den restlichen Film mitgeschleppt wird, ohne irgendetwas zu tun zu haben. Und auch wenn Sheridan, Taylor und Smit-McPhee angesichts des dünnen, mit Plattitüden gespickten Drehbuchs ihren Rollen kaum Individualität verleihen können, so machen sie einen interessierten Eindruck und scheinen ihre Mutantenfiguren auszufüllen. Einer Fortsetzung mit ihnen sehe ich tatsächlich vorsichtig, aber neugierig entgegen.

Fazit:X-Men: Apocalypse ist ein langweiliger, lauter, runtergeleierter Superheldenactioner, der größer und länger ist, als es das maue Skript rechtfertigt.

Donald in den modernen Micky-Cartoons

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Die von Paul Rudish erdachten, neuen Micky Maus-Cartoons, die seit 2013 online und beim Disney Channel ihre Premiere feiern, sind genau das, was die klassischen Disney-Helden nach Micky Maus Wunderhaus gebraucht haben. Nämlich das exakte Gegenteil dieser lieblos am Computer im 08/15-TV-Fließbandstil zusammengezimmerten Vorschulserie. Sie sind in einem markanten Zeichenlook gehalten. Sie visieren eben nicht gezielt die Kleinsten der Kleinen an, eher sogar im Gegenteil: Mitunter sind sie zu derbe, zu laut, zu exzentrisch oder zu launisch, um von den Jüngsten richtig wertgeschätzt zu werden. Und sie sind verflixt noch eins lustig.

Und auch wenn Donald in ihnen seltener auftaucht als im arg simplen Wunderhaus, so wird ihm diese Serie deutlich eher gerecht!

Die primär durch die Tricksoftware Toon Boom verwirklichten Kurzfilmchen schmeißen wieder die alberne Idee aus dem Fenster, zwischen Micky, Donald, Goofy und Co. herrsche unentwegt eine liebliche Friede-Freude-Eierkuchen-Mentalität. Und obwohl Micky seine frühere, aus seinen ersten Leinwandjahren bekannte, fesch-wilde Ader zurückerhält, so darf Donald noch immer der grantigere von den Beiden sein. Wie lange ist es bitte her, dass eine neue Disney-TV-Produktion Donald und Daisy als praktisch unmögliches Paar zeigt?



Klar, zwecks "Rule of Funny" zeigt der Cartoon Down the Hatch Donalds Gehirn als recht klein und Captain Donald behauptet, der beste Erpel der Mediengeschichte könne kein Segelboot bedienen. Aber bei diesen abgedrehten Cartoons, in denen auch mal Mickys Ohren vor ihrem Träger fliehen können, verzeihe ich solche Gemeinheiten eher, als Donald jahrelang dabei zusehen zu müssen, wie er ohne jeden Schneid Vorschülern Formen und Farben erklärt. Und Donald wird obendrein vielfältiger eingesetzt als in den sonst so achtenswerten DuckTales, wo er nur noch Mr. Unverständlich ist. Darüber hinaus kann ich mich als Donald-Liebhaber richtig glücklich schätzen. Denn ich will nicht wissen, wie ich mich als Goofy-Liebhaber bei diesen Cartoons fühlen würde, sieht Mickys dusseliger Kumpel in den neuen Cartoons doch so aus, als könnte man sich werweißwelchekrankheitenbeiihmholen ....



In diesem Sinne: Lieber Donald, die letzten Jahre waren wieder richtig gut zu dir. Weiter so.
Alles Gute zum Geburtstag!

Tschiller: Off Duty

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Mit deutschem Geld finanzierte Actionfilme sind selten, aber gelegentlich finden sie sehr wohl den Weg in die Lichtspielhäuser. Die FFA zählt etwa Die Tribute von Panem – Mockingjay: Teil II als deutsche Ko-Produktion, genauso wie mehrere Regiearbeiten von Paul W.S. Anderson (Resident Evil – Retribution, Die drei Musketiere) oder den Liam-Neeson-Thriller Unknown Identity. Actionfilme mit deutschen Stars in den Hauptrollen und einer deutschen Crew stellen im Kino dagegen eine absolute Rarität dar. Dass Hunger nach Action aus deutschen Landen besteht, lässt sich allerdings nicht abstreiten. Warum sonst läuft Alarm für Cobra 11 – Die Autobahnpolizei seit annähernd 20 Jahren bei RTL? Wohl kaum, weil Millionen von Zuschauern den Dauerbrenner als Meisterwerk anspruchsvoller Erzählkunst betrachten …

Til Schweiger bezeichnete sich im Laufe seiner Karriere in diversen Interviews ebenfalls als Freund des Action-Genres. Statt sich aber nur über einen Mangel an eigenproduzierter Action auf dem deutschen Markt zu beklagen, trägt er mit Eifer sein Scherflein dazu bei, diesen Mangel zu beseitigen. Bislang mit durchwachsenem Erfolg: Sein Action-Drama Schutzengel scheiterte als einzige seiner Realfilm-Regiearbeiten nach dem Jahrtausendwechsel an der Eine-Millionen-Besucher-Marke. Im Fernsehen sah es zunächst besser aus: Der von Schweiger in der Hauptrolle besetzte und von ihm mitgetragene, nicht aber von ihm inszenierte Hamburg-Tatort startete mit Zuschauerzahlen auf Rekordniveau. Die drei nachfolgenden Ausgaben der Action-Krimireihe dagegen erreichten von Mal zu Mal weniger Fernsehende. Anfang 2016 zog es Schweigers Tatort-Rolle Nick Tschiller letztlich auf die große Leinwand – begleitet von einer Werbekampagne, die wie mit der heißen Nadel gestrickt wirkt. So sind die Trailer zum Film rappelvoll mit Standard-Soundeffekten, und die an Comic-Magazine erinnernde, rundliche Schriftart der in den Trailern eingeblendeten Zwischentitel dürfte Tschiller: Off Duty ebenfalls keinen Gefallen getan haben. Doch wie es so schön heißt: Man soll ein Buch nie an seinem Einband beurteilen. Und einen Film nicht allein an seinen Trailern. Tschiller: Off Duty ist ein Paradebeispiel dafür – sowie eine glänzende Erinnerung daran, dass gute Action keine Frage der Nationalität ist. Was Amerikaner, Briten, Franzosen und der asiatische Filmmarkt beherrschen, können Deutsche auch!

Etwas Geduld braucht's schon ...
Der Einstieg ist Drehbuchautor Christoph Darnstädt etwas zäh geraten: Der kurdische Kriminelle Firat Astan (Erdal Yıldız) wurde nach seinen Taten in den bisherigen Tschiller-Tatort-Ausgaben nach Istanbul ausgeliefert. Firat kann sich der türkischen Justiz aber entziehen, woraufhin sich die 17-jährige Polizistentochter Leonora (Luna Schweiger) auf eigene Faust aufmacht, um am Ganoven Blutrache für den Mord an ihrer Mutter auszuüben. Bei diesem Versuch gerät die „Lenny“ genannte Teenagerin jedoch in die Fänge von Firats ruchlosen Geschäftspartner Süleyman Şeker (Özgür Emre Yildirim). Erst daraufhin nimmt Tschiller: Off Duty Fahrt auf. Denn als Lennys Vater, der verbissene Cop Nick Tschiller (Til Schweiger), davon Wind bekommt, dass seine Tochter verschwunden ist, reist er ihr hinterher, um sie aus dem Schlamassel zu befreien. Somit gerät Tschiller in ein internationales Abenteuer, bei dem nicht nur das Leben seiner Tochter auf dem Spiel steht, sondern auch ein Komplott aufgedeckt werden muss. Um diese Mission zu bewerkstelligen, ist Tschiller auf die Hilfe von alten Verbündeten (u.a.: Fahri Yardım alias Yalcin Gümer) angewiesen, und auch neue, teils schwer einzuordnende Bekanntschaften werden geschlossen …

Ein wichtiger Aspekt, in dem Tschiller: Off Duty das bisher vom Schweiger-Tatort gebotene übertrifft, ist die hier gebotene Abwechslung. Auch wenn in Der große Schmerzeine gut aufgelegte Helene Fischer für Abwechslung sorgte und Fegefeuer mit einer Geiselnahme hinter den Kulissen der Tagesschau Aufmerksamkeit zu erhaschen versuchte, stellte sich bei den Actionkrimis aus Hamburg innerhalb von nur vier Ausgaben eine gewisse Routine ein. Das hatte zur Folge, dass Hauptdarsteller Til Schweiger in seiner Rolle zuletzt nur noch zwei extreme Emotionen zeigen durfte: Geballte Wut oder tiefe Trauer. In Tschiller: Off Duty lassen Autor Darnstädt und Regisseur Christian Alvart hingegen wieder eine größere Bandbreite an Tonalitäten zu.

Repräsentativ dafür steht ein kurzer Moment, in dem Tschiller sprichwörtlich mit dem Rücken zur Wand steht. Impulsiv, wie „der Terrier von Hamburg“ nun einmal ist, greift er in dieser unmöglich zu bewältigenden Situation zur Knarre, droht seinem Gegenüber und reitet sich so nur tiefer in die Scheiße. Als er deswegen geneckt wird, antwortet er in einem gleichermaßen genervten wie verzweifelten Tonfall: „Scheiße! Fuck Off!“ Was niedergeschrieben keinerlei Eindruck macht, schürt durch Schweigers Intonation im Film Spannung: Tschillers Unsicherheit ist hörbar, ebenso wie sein Eingeständnis, sich gerade sein Leben noch schwerer gemacht zu haben. Und gleichzeitig wird in dieser und ähnlichen Szenen ersichtlich, dass wir es mit einem fehlbaren Helden zu tun haben, der dennoch jeden erdenklichen Strohhalm ergreift, um vorwärts zu kommen.

Das ist wahrlich keine ausgefeilte, profunde Dramatik, aber es geht weit über die binäre Vorgehensweise beim Hamburg-Tatort hinaus und erlaubt so eine packende Popcornkino-Erzähldynamik: Es schwebt stets im Raum, dass die nächste Actionszene nicht weit sein kann. Ob Tschiller darin aber der Aggressor oder der Gejagte ist, ob er sie mit Findigkeit oder purer Willenskraft übersteht und ob es eine Prügelei, Schießerei oder Verfolgungsjagd ist, wird nicht so weit voraustelegrafiert. Obendrein geraten manche Actionszenen eher humorvoll, während andere den Schwerpunkt auf Thrill legen oder gar beides bieten (Stichwort: Mähdrescher!). Damit schnüren die Filmemacher ein rundes, alles bietendes Action-Paket. Ein Action-Paket, das verflixt gut aussieht: Das an Hollywood-Maßstäben gemessen lachhafte Budget von acht Millionen Euro ist diesem Kino-Tatort nicht anzumerken – die prächtigen Aufnahmen von Kameramann Christof Wahl lassen den in Moskau, Istanbul, Berlin und Moskau gedrehten Film stattdessen deutlich kostspieliger erscheinen.

Spektakuläre und völlig durchgeknallte Stunts wie den Loopings fliegenden Hubschrauber aus SPECTRE gibt es zwar nicht zu sehen, ein großer Verlust ist dies aber nicht: Anstelle vereinzelter, großer Set pieces bilden bei Tschiller: Off Duty zahlreiche, prägnante Kämpfe und knackige Fluchtszenen das Grundgerüst des Films. Tschiller kämpft und schießt sich so von A nach B (respektive von Istanbul nach Moskau), er flieht und wird verfolgt, und stets inszeniert Alvart dies mit versierter Hand und mitreißendem Tempo. Wo SPECTRE in seiner Selbstgefälligkeit gähnend langweilig daherkommt, punktet Alvarts Regiearbeit mit flotter, kerniger Action, die zwar nur selten originell choreografiert ist, dafür aber dank zielsicherer Kameraführung und guter Stuntarbeit meilenweit an James Bonds 24. Kinomission vorbeizieht. Gelegentlich schneidet Cutter Marc Hofmeister sehr hektisch von einem Bild zum anderen, wodurch die Tritte und Schläge und Sprünge Schweigers nicht immer ihre volle Wucht entfalten. Der Löwenanteil der Actionszenen ist aber präzise geschnitten, so dass eine Übersicht des Geschehens gewahrt ist und trotzdem nie der Schwung verloren geht.

Auch die effektive, kühle und dennoch treibende Musik von Martin Todsharow verleiht Tschiller: Off Duty Hollywood-Feeling – selbst wenn sie keine einprägsamen Leitmotive fabriziert. Mehr noch als die Action ist es aber Yardım, der eine Sichtung dieses Actioners bezahlt macht: Der Mime stellt einmal mehr sein begnadetes komödiantisches Timing zur Schau, und die Freundschaft zwischen ihm und Schweiger macht sich auch durch eine tolle Figurendynamik bemerkbar. Er lockt in den gemeinsamen Szenen die menschelnde Seite des verbissenen Tschillers hervor und dient als Gümer zudem als spritziger Stichwortgeber und süffisanter Kommentator des Geschehens. Gelegentlich wird Gümer auch als wandelnde Notfalllösung genutzt, um aus storytechnischen Sackgassen herauszukommen, diese „Deus Ex Machina“-Momente sind aber launig genug, um im Rahmen reiner Actionkinounterhaltung durchzugehen. Da sticht die verschachtelte, immer wieder nur beiläufig erfolgende, Erörterung des von Şeker ausgeheckten Komplotts schon ärger hervor – da es für Tschiller aber primär nur darum geht, seine Tochter zu retten, bleibt die Handlung dennoch stets zugänglich.

Lobenswert ist zudem die Besetzung zahlreicher lokaler Schauspieler in den russischen und türkischen Rollen: Zwar bringt das nicht durchgehend fließende Deutsch der Darsteller gelegentliche Verständlichkeitsprobleme mit sich, für die dadurch gewonnene Authentizität und das so größer werdende Flair des Films macht sich dieser Preis aber bezahlt. Vor allem Berrak Tüzünataç als türkische Hotelangestellte (harte Aussprache, glaubwürdiges Spiel), Özgür Emre Yildirim als herrlich grinsender Fiesling Şeker und die goldige, humorvolle Alyona Konstantinova als leichtes Mädchen Dasha sind große Bereicherungen für diese grenzüberschreitende Ganovenhatz. Da darf man durchaus voller Bedauern feststellen, dass Tschillers sechste Mission wieder nur im Fernsehen stattfinden soll. Eine Planänderung wäre zu begrüßen. Denn: Diese Figur ist für die große Leinwand geboren!

Fazit:Tschiller: Off Duty ist die Antithese zum letzten Bond: Während SPECTRE großartig anfängt und sich daraufhin in eine bleierne Ente verwandelt, braucht der Kino-Tatort etwas, um aus dem Quark zu kommen. Aber wenn Nick Tschiller erst einmal Blut geleckt hat, fetzt das Teil!

Deadpool

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Anfang 1991 platzte er in die Marvel-Comicwelt – und ist seither nicht mehr aus ihr wegzudenken: Deadpool, das kindisch-sadistische Plappermaul, das sich auf Illusionsbrechungen spezialisiert hat. Der in einem roten Ganzkörperanzug gekleidete Söldner weiß, dass er sich nur in einer fiktiven Comicerzählung befindet und richtet sich daher regelmäßig an die Leserschaft, kommentiert Klischees und lässt zahllose popkulturelle Referenzen vom Stapel. Dieser süffisante Humor, gepaart mit einer lakonisch-humorigen, zügellosen Gewaltdarstellung, die mit Deadpool in den Comics zumeist einhergeht, machen den Mutanten zu einem wahren Fanfavoriten. Ein eigener Kinofilm wäre im Normalfall genau deswegen nicht fern. Aber die Kombination aus derbem Witz und kerniger Gewalt weckt nicht gerade das Vertrauen der Studiobosse, insbesondere nicht im Bereich des kostspieligen Superheldenkinos. Nach jahrelangem Bangen hat Deadpool aber eine Form angenommen, die der frechen Titelfigur durchaus gebührt. Dazu benötigte es nur stete Nachfragen der Fans, eine euphorische Reaktion auf (kalkuliert?) geleaktes Testmaterial sowie einen Hauptdarsteller, der das Studio unermüdlich darum angebettelt hat, den Film machen zu dürfen, ohne Deadpools Kernigkeit auf dem Altar der Familientauglichkeit opfern zu müssen.

Dieses feurige Engagement, das Ryan Reynolds hinter den Kulissen gezeigt hat, beweist der Green Lantern-Hauptdarsteller auch vor der Kamera. Somit ist Reynolds unmissverständlich der wertvollste Aspekt dieses pointenreichen Actionfilms. Denn der Charme und Witz des Mimen helfen dabei, die kleineren Makel zu mildern, die Deadpool leider Abzüge in der B-Note geben. Aber der Reihe nach. Selbst wenn der mörderische Typ mit den Superheilkräften nicht viel davon hält, der Reihe nach vorzugehen:

Deadpool eröffnet mit einer Actionsequenz auf einer Schnellstraße, die den skrupellosen Anti-Helden dabei zeigt, wie er es ganz allein mit einer großen Truppe von Schurken aufnimmt. Deadpool, der dieses Scharmützel genießt, befindet sich nämlich auf der Suche nach dem Mutanten Ajax (Ed Skrein), von dem er sich erhofft, dass er ihm sein einstiges, makelloses Antlitz wiedergeben kann. Seine ihm innewohnenden Entertainerqualitäten gebieten es Deadpool aber, die Kampfsequenz mehrmals zu unterbrechen, um dem Publikum seine Herkunftsgeschichte zu erläutern. Einst war Deadpool lediglich der Auftragsrüpel Wade Wilson, der es gegen ein Entgelt mit jedem aufgenommen hat, der in den Augen seiner Auftraggeber einen Denkzettel verdient. Eines Abends verknallt sich der attraktive Einzelgänger in Vanessa (Homeland-Mimin Morena Baccarin), ihres Zeichens eine Dame der Nacht. Wade und Vanessa teilen einander eine dunkle Vergangenheit und einen gigantischen Appetit auf Sex – und verlieben sich daher. Das Glück nimmt ein jähes Ende, als Wade praktisch überall in seinem Körper Krebs bekommt, wo man Krebs bekommen kann. Also unterzieht er sich einer brutalen Behandlung, die ihn mutieren lässt – und unfassbar hässlich macht …

Das Wechselspiel zwischen Rückblenden und Gegenwart, das die Autoren Paul Wernick & Rhett Reese (Zombieland) abhalten, führt bedauerlicherweise vor, wie sehr sich Deadpool verheddert: Einerseits bemüht sich der Film redlich, Genrekonventionen auf den Kopf zu stellen. Von der moralisch korrumpierten Titelfigur hin zu launigen Kommentaren über Produktionskosten und dem akzentuierten Einsatz von Hintergrundmusik: Der irre Deadpool teilt wiederholt gut sitzende Seitenhiebe aus (was etwa in einen saukomischen Vorspann mündet) und auch die eigenwillige Erzählstruktur lässt sich als anarchischer Einfall verstehen. Andererseits vermeiden Wernick und Reese trotzdem nicht die genretypischen Expositionsdialoge und halten sich zudem damit zurück, die alltägliche Erzählstruktur völlig auszuhebeln: Irgendwann verlassen wir dann doch noch die Schnellstraße und die Rückblenden nehmen ebenfalls ein Ende ... Das macht Deadpool keineswegs zu einem schwachen Film. Allerdings hätte es perfekt zum Humor des Anti-Helden gepasst, wäre sein erster eigener Kinofilm eine einzige, extralange Actionsequenz, die bloß durch ein paar Rückblenden unterbrochen wird.

Die Zurückhaltung, die tragenden Säulen klassischer Superheldenfilme einzureißen, macht sich auch darin bemerkbar, dass die pfiffigen Meta-Kommentare vergleichsweise vorsichtig dosiert sind und die Gewaltspitzen zwar für eine FSK ab 16 Jahren reichen, nie aber derb-kreative Gefilde erreichen. Die verstörende Ader der Titelfigur zeigt sich daher nur ansatzweise – sollte es eine Fortsetzung geben, besteht also noch Luft nach oben. Auch einen einprägsamen Instrumentalscore ist 20th Century Fox Deadpool noch schuldig – bislang kann sich der Supersöldner nur mit einem coolen Mixtape an Archivmusik rühmen. Und natürlich mit einem beeindruckenden, praktischen Kostüm, das keinerlei Parallelen zu der CG-Katastrophe hat, die Reynolds in einem anderen Superheldenfilm tragen musste ...

Auch wenn Deadpool nicht ganz so rücksichtslos, knallhart und durchgeknallt ist, wie es die Figur ermöglicht hätte, so versprüht der launige, kecke Film ganz klar das Flair des wilden Comicstars und weiß auch ohne Tabubrüche zu unterhalten. Reynolds hat ein begnadetes komödiantisches Timing, bringt aber obendrein die wenigen dramatischen Momente überzeugend rüber: Wenn Wade etwa nach seiner Krebsdiagnose in einer Rückblende seine Geliebte mit einem Witz zu beruhigen versucht, dann vermitteln Reynolds' gesenkter Blick und seine brüchige Stimme, dass seine Figur längst nicht so emotionslos ist, wie sie sich gibt. Diese und ähnliche Szenen sorgen dafür, dass Deadpool nicht bloß eine kernige, wilde Superhelden-Actionkomödie darstellt, sondern auch Spannung entwickelt – denn die abgedrehte Titelfigur ist eine, mit der man mitleiden kann. Und selbst die obligatorische Lovestory funktioniert: Zwar ist die Liebe zwischen Wade/Deadpool und Vanessa alles andere als tiefgreifend, jedoch bringen Reynolds und Baccarin sehr gut die sexuelle Anziehungskraft zwischen ihnen rüber. So gut, dass die Dynamik zwischen diesen zwei Figuren, bei denen sich alles nur um Sex dreht, glaubwürdiger ist als das Gros der züchtigeren, charakterbasierten Romantiksubplots in Actionfilmen.

Die triebgesteuerte Flirterei zwischen Vanessa und Wade/Deadpool hat obendrein mehr Witz als die direkten Konfrontationen mit dem blassen, britischen, bösen Buben Ajax. Darsteller Ed Skrein kann der mäßig geschriebenen Rolle kaum mehr als ein selbstgefälliges Grinsen abringen, ebenso wie Gina Carano als Handlangerin keine Bereicherung für den Film darstellt. Da sind Brianna Hildebrand und Stefan Kapičić als heldenhafte Mutanten, die Deadpool auf den makellosen Pfad der Tugend locken wollen, schon deutlich witziger und erfrischender – selbst wenn sie recht wenig Einfluss auf die Story haben.

Regienovize Tim Miller, der zuvor unter anderem den Vorspann von David Finchers Verblendung verantwortete, liefert somit einen spaßigen, außergewöhnlichen Superheldenfilm als sein Debüt ab. Die Inszenierung erfolgt in den flotten Actionpassagen zwar zielgerichteter als der Bruch mit den Genrekonventionen, ein härterer Director’s Cut war zwischendurch im Gespräch, soll nun aber leider doch nicht mehr Form annehmen. Aber ein Sequel ist abgemachte Sache, und es ist dem „Merc with a Mouth“ zu gönnen, dass er nach seinem guten Solofilm auch einen echten Kracher erhält.

Fazit:Deadpool bleibt hinter seinen Möglichkeiten in Sachen sadistisch-spaßiger Gewalt und kesser Meta-Spielchen zurück. Dennoch sorgen der frech-flotte Humor und Ryan Reynolds‘ Performance für rund 100 launige Kinominuten, die weniger verbale Zurückhaltung kennen, als normale Superheldenfilme.


Dirty Grandpa

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Mit der ausgefallenen Romantikkomöde Das hält kein Jahr…! verquickte Dan Mazer 2013 einen räudig-derben Sinn für Humor mit einer herzensguten, grundehrlichen Geschichte über die Suche nach dem passenden Lebenspartner. Heraus kam der Film, der Rose Byrne unverrückbar in die Riege der lustigsten Frauen der filmischen Gegenwart katapultierte. Dirty Grandpa, Mazers nächste Regiearbeit, versucht sich an einem ähnlichen Spagat: Auf der einen Seite ist die 11,5-Millionen-Dollar-Produktion eine Rüpelkomödie voller Sex-Witze und vulgärer Verbalsekapaden. Auf der anderen Seite handeln rare, eingestreute Szenen davon, dass ein eigensinniger Großvater seinem verklemmten, unter dem Pantoffel seiner herrischen Verlobten stehenden, Enkel vorzuführen versucht, wie ein selbstbestimmtes Leben aussieht. Und das bedeutet auch: Sex mit feschen Studentinnen.

Die Verschmelzung von hart und zart, die Mazer bei Das hält kein Jahr…! basierend auf einem eigenen Drehbuch gelungen ist, bleibt beim gleichermaßen anstrengenden wie anödenden Dirty Grandpa ein bloßer Wunschtraum: Nach einem Skript des Novizen John M. Philips lässt Mazer die lebende Schauspiellegende Robert De Niro und den charismatischen We Are Your Friends-Schönling Zac Efron durch eine uninspirierte Story stapfen, die voller humoristischer Rohrkrepierer ist. Ist es ein Brüller, wenn Opa Dick (De Niro) sich selbst befriedigt, während er einen Porno guckt, und sein Ekel Jason (Efron) gerade ins Zimmer tritt? Reicht es für einen Lachmuskelkater, wenn sich Dick gelegentlich an Jason heranschleicht und ihm seinen Daumen in den Hintern steckt? Ist es urkomisch, dass Jason widerwillig zum Karaoke geschleppt wird und dann mitten im Song auftaut (so wie einst bei High School Musical!) und er am Telefon andauernd von seiner Verlobten angekeift wird?

Es ist vielleicht denkbar, dass es Szenarien gibt, in denen die obigen Fragen allesamt mit „Ja“ beantwortet werden können. Humor entsteht schließlich aus dem Kontext heraus und ist unter anderem eine Frage des Überraschungsfaktors. Mazer und Philips machen allerdings sehr früh klar, dass Dick stets in die tiefsten, schmutzigsten Gefilde vordringt und Jason ein Spießer vor dem Herren ist. Sobald Dick das Hereinplatzen Jasons in seine Masturbationssession vollkommen lässig über sich ergehen lässt (und Mazer den „überraschenden“ Pornokonsum Dicks durch frühzeitig hörbare Stöhngeräusche vorwegnimmt), ist klar: Wenn Dick die Gelegenheit hat, einen Spruch unter der Gürtellinie abzulassen oder gegen jegliche Etikette zu verstoßen, so nutzt er sie. Damit kann Dicks Benehmen nur in den seltensten Fällen überraschen, was nahezu jede Pointe brutal absaufen lässt. Ebenso, wie sich die „Haha, Jason ist verklemmt!“-Gags rasch abnutzen.

Noch schwerwiegender ist, dass sich Dirty Grandpa fast schon im Fünf-Minuten-Takt in Sequenzen verliert, bei denen der vermeintliche Witz allein dadurch besteht, dass Dick schmutzige Wörter in den Mund nimmt. Die Vokabeln „Ficken“, „Fotze“, „Pimmel“ und Co. allein sind aber nicht von sich heraus lustig, und ihr Schockfaktor sollte sich für Zuschauer, die nicht gerade wie Jason geraten sind, eher in Grenzen halten. So eintönig diese vermeintlichen Wortwitz-Passagen sind, so lästig wird Dirty Grandpa, wenn Dick Schwule und Frauen beleidigt – wären Philips kreative, kesse Sprüche gelungen, ließen sich diese Momente, je nachdem wie Dicks Charakterisierung im Gesamtkontext bewertet wird, ja erdulden. Allerdings ist dies nicht der Fall: Dick poltert einfach vor sich hin, und fast so, als wollte der Drehbuchautor diese Monologe und Dialoge entschuldigen, folgt im letzten Akt eine fadenscheinige Erklärung, dass Dick ja eigentlich schon weiß, dass man so nicht reden sollte. Weshalb er sich nicht an seine eigene Lektion hält, bleibt derweil ein Rätsel ...

Durch diese Inkonsistenz wird die Titelfigur zum charakterlosen Spielball dessen, was die jeweiligen Szenen so gebrauchen könnten. Das wiederum führt dazu, dass die hölzern geschriebenen „emotionalen“ Szenen unehrlich erscheinen – und so zu schierem Ballast in einem Film werden, der eh kein narratives Momentum aufweist. Da hilft es auch nicht, dass De Niro der niedrigen Qualität des Skripts zum Trotz mit Esprit auftritt und Efron mit seinem respektablen Timing wenigstens die reinen Slapsticksequenzen halbwegs passabel hinter sich bringt. Denn das Hauptdarsteller-Doppel muss nicht nur gegen die die lieblose Aneinanderreihung der Rüpelgags anspielen, sondern auch gegen den trägen Schnitt von Anne McCabe.

Durch das stets erst wenige Sekunden nach dem Pointenhöhepunkt erfolgende Wechseln auf andere Einstellungen oder hin zu neuen Szenen macht Dirty Grandpa leider klar, wie selten die Leistung von guten Cuttern bei Komödien beachtet wird. Denn in gelungenen Komödien denken nur wenige Zuschauer über den Schnitt nach – bei dieser Produktion indes macht der Schnitt selbst die wenigen Treffer fast zugrunde. Ein einprägsames Beispiel ist die aus den Trailern und Spots bekannte Szene, in der ein halbnackter Jason am Strand von einem kleinen Jungen genervt wird: Was im Trailer den pointiert-derben Anschein erweckt, als würde Efrons Rolle das Kind missbrauchen, und durch die Diskrepanz zu Jasons unschuldigem Handeln durchaus zum Schmunzeln anregt, ist durch die lahme Umsetzung im Film witzlos.

Einzig und allein Jason Mantzoukas und Aubrey Plaza retten Dirty Grandpa davor, seine gesamte Laufzeit über eine Tortur darzustellen. Wohingegen die restlichen Nebendarsteller keinen Eindruck hinterlassen, ergötzt sich Plaza dermaßen an ihrer Rolle als notgeile, auf ältere Männer stehende Studentin, dass sich ein Hauch ihrer Spielfreude in sprühenden Witz verwandelt. Dabei hilft es, dass Plazas Sprüche, im Gegensatz zu De Niros, nicht nur aus Schmuddelwörtern bestehen, sondern auf albern-peppigen Sprachbildern basieren. Mantzoukas letztlich scheint wie aus einem anderen Film entliehen: Als verpeilter, stets bestens gelaunter Drogendealer, der keinerlei Gesetzen der Realität verpflichtet ist, bringt er eine dringend nötige, frische Prise in diesen klebrig-stinkenden Muff, der sich Komödie schimpft.

Fazit:Dirty Grandpa ist ungefähr so riskant wie ein Kaffeekränzchen im Seniorenheim und so lustig wie der Kater am Morgen nach einer ausgelassenen Strand-Party.

Die Wilden Kerle – Die Legende lebt!

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Annähernd neun Millionen Kinotickets wurden hierzulande in den Jahren 2003 bis 2008 für Joachim Masanneks Die Wilden Kerle-Saga gelöst. Der vierte Teil der Kinderfilmreihe über ein ungezügeltes, junges Fußballteam holte sich 2007 sogar den Titel der zweiterfolgreichsten deutschen Kinoproduktion – nur Til Schweigers Keinohrhasen lockte mehr Menschen in die Lichtspielhäuser. Es lässt sich also nicht verleugnen, dass die Nachwuchskicker Leon, Marlon, Vanessa, Raban, Joschka, Maxi und Markus ihre Marke in der deutschen Filmlandschaft hinterlassen haben. Frühjahr 2016 war es dann so weit: Acht Jahre nachdem sich die Wilden Kerle hinter den Horizont verabschiedet haben, und 13 Jahre nach dem Anpfiff ihrer tonal variantenreichen Partie in Deutschlands Kinos, meldeten sie sich zurück. Die von den Ochsenknecht-Brüdern Jimi Blue und Wilson Gonzalez angeführten Sportler stehen dieses Mal allerdings nicht im Mittelpunkt des Geschehens. So, wie einst Käpt’n Kirk und in jüngerer Kinovergangenheit auch Rocky und die Star Wars-Veteranen, kommen die Wilden Kerle wieder, um einer neuen Heldengeneration ihren Segen zu geben ...

Die Brüder Leo und Elias spielen mit ihren Freunden Finn, Oskar, Joshua, Müller und Matze liebend gern Fußball und stellen sich dabei vor, die legendären Wilden Kerle zu sein. Ob es die von einem Feuerseifer besessene Mannschaft je wirklich gegeben hat, ist für die Kinder eine unbeantwortete Frage – in ihrer Fantasie zumindest sind die Wilden Kerle echt. Eines Tages werden sie beim Nachspielen einer Wilden-Kerle-Geschichte von einem in schwarz gekleideten Fremden mit Augenklappe beobachtet, der ihnen eine mysteriöse Landkarte überreicht. Diese bildet das Wilde-Kerle-Land ab, inklusive Weg zum sagenumwobenen Teufelstopf. Die Freunde begeben sich zum Bolzplatz ihrer vermeintlich fiktiven Helden – und erkennen, dass es sie wirklich gegeben hat. Sogar dem Wilden-Kerle-Trainer Willi begegnen die Freunde, die nun die Gelegenheit erhalten, in die Fußstapfen ihrer Idole zu treten. Doch sie müssen sich beeilen, wenn sie sich deren Erbe als würdig erweisen wollen. Denn der Erzfeind der Wilden Kerle, der Dicke Michi, ist Abrissunternehmer geworden und bereitet sich vor, die letzten Überreste seiner Gegner zu zerstören. Obendrein muss die Jungstruppe noch einen weiteren Mitstreiter finden (oder eher eine Mitstreiterin?) …

Von diesem Punkt ausgehend entwickelt sich Die Wilden Kerle – Die Legendelebt! zu gleichen Teilen zu einem Remake des Erstlings und zu einem Sequel. Während die neue Generation eine Neuauflage des ersten Trainings und des ersten großen Spiels der Originale durchlebt, sorgt die Präsenz der ursprünglichen Wilden Kerle für neue Elemente: Dadurch, dass die Jungprotagonisten nun angeblich erfundenen Vorbildern nacheifern und sich letztlich auf dem besten Weg befinden, ihren Platz einzunehmen, wird der sechste Wilde Kerle-Film zu einer Geschichte über kindlich-unschuldige Heldenverehrung. Die Botschaft „Mit einer Prise Selbstbewusstsein kannst du genauso wie deine Lieblingsfiguren sein!“ schwingt daher wiederholt zwischen den Zeilen dieses Kinderabenteuers mit. Da Kinder gerne Comic-, Roman-, TV- und/oder Film-Helden nacheifern, ist es eine erbauliche, kleine und dennoch feine Message, die in den heutigen Tagen vorgefertigter Franchise-Kinderabenteuer vielleicht sogar aktueller ist denn je.

Das ältere Publikum wiederum gewinnt durch das Aufeinandertreffen der Generationen einige respektable Meta-Spielereien: So darf Daniel Zillmann im Finale sein herrlich ironisches Timbre nutzen, um die dramaturgischen Wiederholungen innerhalb der Filmreihe zu kommentieren. Und die leisen Anklänge von narrativer Selbstreflexion, wenn die innere Logik der Geschichte auf die realen Hintergründe der Produktion treffen, sind ebenfalls amüsant zu verfolgen. Immerhin lassen sich sowohl Story als auch Produktionshintergrund mit „Kinder spielen trotz eines Mangels an neuen Abenteuern die Wilden Kerle nach, und um ihre Passion anzufeuern, kehren die Originale zurück“ zusammenfassen. Regisseur und Autor Masannek schröpft aus diesem Spiel mit Fiktion und Realität zwar nicht das Maximum (dafür nehmen die Slapstickspäße der neuen Wilden Kerle zu großen Raum ein), jedoch ist es ein ansprechender Bonus in einem Film, der auch ein reines Remake hätte darstellen können.

Das Auftauchen sogleich zweier Wilde-Kerle-Generationen ermöglicht es Die Wilden Kerle – Die Legende lebt! zudem, den potentiellen Neustart der Reihe zwischen den beiden stilistischen Eckpunkten der ersten fünf Filme einzuordnen: Die neuen Kinder sind mit ihrer Verspieltheit und ihren aus Erwachsenensicht simplen Sorgen (‚Sind Mädchen uncool?‘, ‚Kann man Verwandten von Feinden trauen?‘, ‚Was, wenn jemand unseren Lieblingsplatz zerstören will?‘) so geraten wie die Kids im allerersten Film. Die Original-Kerle dagegen sind mit ihrer stylischen, schwarzen Kluft und ihren inszenatorisch überhöhten Auftritten aus demselben Holz geschnitzt, aus dem Part vier und fünf der Die Wilden Kerle-Reihe gemacht wurden. Der Film selbst spielt stilistisch gesehen konsequenterweise irgendwo in der Mitte – er ist exzentrisch, aber auf kindliche Weise. Stellenweise ist der daraus resultierende Humor leider arg naiv-grell geraten, beispielsweise wenn der Dicke Michi selbst während einer Schimpftirade weiterfuttert und sich mit Senf beschmiert oder wenn Trainer Willi unentwegt über etwas stolpert oder sich an etwas stößt. Und die hölzern vorgetragenen, extralangen Flüche der neuen Kerle wirken eher bemüht als gewitzt, stellen somit eine Verschlechterung eines Elements dar, das schon in der Originalreihe störte.

Selbiges gilt für die teils unnatürlichen Atempausen der Kinderdarsteller, wann immer sie längere Dialogpassagen zu bewältigen haben. Hier hätte ein strengerer Schnitt mehr aus den generell sonst soliden Performances rausholen können. Masanneks Herangehensweise macht sich dafür auf der inszenatorischen Ebene bezahlt: Die neue Generation findet die Erfüllung ihrer Träume nicht in einer glatten, klinisch sauberen Kicker-Welt, sondern in den staubigen, rostigen Überresten dessen, was ihre Vorgänger hinterlassen haben. Mit verwittertem Holz und jeder Menge Dreck hat der Teufelstopf, wie sich der Bolzplatz der Wilden Kerle nennt, eine abenteuerliche Atmosphäre zu bieten, die Masannek und Kameramann Benjamin Dernbecher in Western-Manier einzufangen wissen: Sie setzen intensiv auf Totale und Halbtotale, die Kinder reihen sich in den Leinwandbildern nebeneinander auf und reden dann oftmals miteinander, ohne sich anzuschauen. Wie die Protagonisten diverser Westernklassiker halt … Auf ein hohes Maß an direkten Filmreferenzen verzichtet Masannek, der auch die Buchvorlagen sowie alle bisherigen Filme verantwortete, dieses Mal hingegen. Vielleicht bleibt das ja, wie bei den ersten Kerlen, den späteren Abenteuern der Kickergruppe überlassen.

Fazit:Die Wilden Kerle – Die Legende lebt! ist eine gut aussehende, stellenweise in ihrer Komik anstrengend-grell geratene Kinder-Sportkomödie mit dem extra Schuss an Exzentrik und Fanservice.

Hail, Caesar!

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Vier Filme, vier unterschiedliche Verleiher: Die aktuellsten Einträge in George Clooneys Schauspielvita erfolgten für Universal Pictures, Walt Disney Pictures, Columbia Pictures/20th Century Fox und Warner Brothers. Auch Clooneys Hail, Caesar!-Ensemblekollegin Scarlett Johansson wanderte in jüngster Vergangenheit munter durch Kinofilme verschiedenster Produktionsfirmen. Was in der modernen Medienwelt nicht weiter verwundert, war in einer früheren Phase der Filmgeschichte für Hollywood-Stars nahezu unmöglich. Denn zur Zeit des Studio-Systems standen Schauspielgrößen, Kreativschaffende sowie angesehene Handwerkskünstler üblicherweise bei einem der „Big Five“ unter Vertrag. Jeder Wechsel von einem Studio zum anderen wurde im Filmgeschäft daher als große Umwälzung betrachtet

Da das filmschaffende Personal der großen Hollywood-Studios eine entsprechend hohe Bedeutung für den Ruf der jeweiligen Unternehmen hatte, wurden berühmte Namen ganz anders beschützt als heutzutage. Haben gegenwärtig Stars, gemeinsam mit ihren Agenturen und Publizisten, ihr Image weitestgehend selbst in der Hand (zumindest so sehr, wie es die Klatschpresse erlaubt), achteten in der sogenannten Goldenen Ära Hollywoods die Studios mit Argusaugen auf ihre Schützlinge. Es hielt Skandale aus der Öffentlichkeit und diktierte im Gegenzug, was ein Star zu sagen, zu tragen, zu tun und zu lassen habe. Das Hollywood-Studio, der Polizeistaat.

Hail, Caesar! handelt von einem Mann, der während des Abklingens des güldenen Hollywood-Systems die anstrengende Aufgabe des Studio-Polizisten ausfüllt: Eddie Mannix (Josh Brolin), Produktionsvorsitzender und „Fixer“ von Capitol Pictures. Gefühlt arbeitet Eddie 30 Stunden am Tag, 12 Tage die Woche. Denn er ist es, der dafür sorgt, dass die Studiomaschine läuft wie frisch geschmiert. Wetterprobleme verzögern einen Dreh? Eddie findet eine Lösung. Das Skript zu einem kommenden Capitol-Pictures-Streifen kommt nicht in Schwung? Eddie findet eine Lösung. Das Studio braucht den Segen diverser religiöser Gruppen, um guten Gewissens einen Monumentalfilm mit Glaubensbotschaft ins Kino zu entlassen? Eddie regelt das!


Den Großteil seiner Zeit verbringt Eddie aber damit, für die Stars und Sternchen von Capitol Pictures die Kohlen aus dem Feuer zu holen. Eddie bewahrt Starlets davor, wegen unsittlichen Verhaltens eingebuchtet zu werden. Er findet rechtliche Schlupflöcher, um pikante Wahrheiten versacken zu lassen. Und er täuscht die Branchen- und Klatschpresse, wo er nur kann. Als Baird Whitlock (George Clooney) spurlos vom Set des Sandalenfilms Hail, Caesar! verschwindet, steht Eddie jedoch vor seiner bislang größten Herausforderung …

Eddie Mannix ist keine aus der Luft gegriffene Erfindung der mehrfach Oscar-prämierten Coen-Brüder, sondern eine dramaturgisch überspitzte Kombination aus dem echten Eddie Mannix und Publicitychef Howard Strickling. Gemeinsam hielten sie jahrzehntelang die MGM-Studios am Laufen und verhalfen deren Stars zu blütenreinen Westen. Wie es sich für die Fargo- und A Serious Man-Macher Joel & Ethan Coen gebührt, widmen sie Mannix und Strickling mit Hail, Caesar! jedoch kein alltägliches, cineastisches Denkmal. Das auf doppelbödige Filme spezialisierte Brüder-Gespann nimmt Mannix‘ Berufung als Ausgangspunkt für eine Ansammlung an leichtfüßig verbundenen, sketchartigen Szenen, die auf das Holllywood-Kino der frühen 50er-Jahre zurückblicken. Und dies in einem Tonfall, der sich irgendwo zwischen neckischer Hommage, humorvoll überbetonter Dramatik und liebevoller Parodie verorten lässt.

Die Einfälle der Coens sind mannigfaltig – und sie alle verneigen sich augenzwinkernd vor den Archetypen, die das Kinogeschäft hervorgebracht hat, sowie vor den Filmgenres, die vorübergehend Hollywood dominiert haben. So spaziert Mannix im Dienste seiner Pflicht am Set eines munteren Musicals vorbei – und schon wird dem Kinopublikum eine ausgedehnte Sequenz kredenzt, in der Magic Mike XXL-Sunnyboy Channing Tatum die Mentalität von Gene-Kelly-Filmen auf die Schippe nimmt. Mit schwungvollen Schritten und einer frivolen, doch unschuldig dargebotenen Choreografie gerät dieser Seitenhieb ebenso spitzbübisch wie ehrfürchtig. Ebenso amüsant sind die Szenen aus dem Film-im-Film namens Hail, Caesar!, welche voller Detailliebe Werke wie Ben Hur durch den Kakao ziehen. Und damit nicht genug: Mit versiertem, achtungsvollem Blick persiflieren die Coens auch simple Western, Bubsy-Berkeley-Wasserballette und galante, den Alltagsproblemen entrückte Dramen.

Diese fiktiven Filmproduktionen, die stets glaubwürdig den Look ihrer Vorbilder nachahmen, gehören zu den Höhepunkten von Hail, Caesar!, allerdings brillieren auch jene Szenen, in denen Mannix hinter den Kulissen seiner Arbeit nachgeht. Dies liegt nicht zuletzt am bestens aufgelegten Ensemble: Tilda Swinton gibt die zickigen Klatschpresse-Schwestern Thora und Thessaly Thacker genauso pointiert wie sich Scarlett Johansson als ungezügelte Filmikone mit Heile-Welt-Image durch ihre Szenen zetert. Und Alden Ehrenreich darf sich als Western-Mime Hobie Doyle, der in das Drama-Genre geschubst wird, in das ruhmreiche Coen-Filmpantheon gutherziger Dummköpfe einreihen. Dort bekommt er Gesellschaft von George Clooney: Der Superstar, den die Coens schon in O Brother, Where Art Thou?, Ein (un)möglicher Härtefall und Burn After Reading goldig herumhampeln ließen, agiert mit genüsslicher Spritzigkeit als verblendeter Spitzenschauspieler, der nach seiner Entführung die politische Welt mit neuen Augen sieht. Was nicht heißt, dass er plötzlich den Durchblick hat …

All dies untermalt Komponist Carter Burwell mit dynamischer, oftmals augenzwinkernd melodramatisch angeschlagener Musik – und somit trifft er genau den richtigen Ton: Die von Kameramann Roger Deakins (Sicario) in kontrastreichen Farben eingefangene Farce akzentuiert zwar in hoher Frequenz, welch teils absurden Eigenheiten das Hollywood der frühen 50er ausgemacht haben. Dennoch fungiert Hail, Caesar! als Liebesbrief an die behandelte Ära, denn die Coens verzichten durchgängig auf gehässige Pointen – viel mehr zeichnen sie die zahlreichen Figuren als quirlige Karikaturen. Wenn Ralph Fiennes als übertrieben höflicher Regisseur selbst die grausigsten Takes als „Sehr gut“ bezeichnet, greifen die Coens nicht etwa andere Filmemacher an, sondern halten lächelnd fest, wie es auf einem Filmset zugehen kann.

Nur eine Rolle weist in dieser Ansammlung an charmanten Witzfiguren so etwas wie Bodenhaftung auf: Josh Brolins Eddie Mannix. Mit energischem Blick und geschliffener Schlagfertigkeit (sei es verbal oder non-verbal) ist der „Fixer“ von Capitol Pictures nicht etwa ein wandelnder, respektvoller Scherz. Sondern ein nachdenklicher, sein Handeln hinterfragender und dennoch liebend gern erledigender Mann, der das Filmgeschäft todernst nimmt – und der beim Streben nach Erfolg mit Erschöpfungserscheinungen kämpft. Das gleicht Eddie Mannix, der liebende sowie gestrenge Freund und Helfer der Stars, aus, indem er mit trockenem Humor glänzt. Höchst kalkuliert, natürlich.

Und das ist wohl der listigste Geniestreich des Autorenfilmer-Duos in Hail, Caesar!: In dieser gewitzten Feier des Filmgeschäfts ist einzig und allein dem Vertreter einer dubiosen, ausgestorbenen Profession eine mehrdimensionale Persönlichkeit gestattet. Damit können sich die Coens ganz klar der Selbstbeweihräucherung freisprechen – immerhin sind alle Professionen, die Hollywood weiterhin anbietet, laut dieser Komödie mit Witzfiguren besetzt. Und Platz für Normale gab es, zumindest stellt es Hail, Caesar! so dar, nur in der Funktion des gerissenen Aufpassers. Das Hollywood-Studio, der Polizeistaat? Eher: Das Hollywood-Studio, der faszinierende, gefährliche Kindergarten!

Fazit: Ein Muss für Filmliebhaber und Freunde kreativer Komödien: Ethan und Joel Coen zünden ein Feuerwerk an ulkigen, neckisch-liebevollen Gags über Hollywood ab!

Nichts passiert

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Es ist ein aus dem Leben gegriffenes Schreckensszenario: Da übernimmt man einmal zusätzliche Verantwortung, und schon geht alles furchtbar schief. Genau dies widerfährt dem Familienvater Thomas (Devid Striesow). Und das ausgerechnet während des Urlaubs. Dabei hat Thomas den Tapetenwechsel dringend nötig. Zwischen ihm und seiner Gattin Martina (Maren Eggert) kriselt es, Tochter Jenny (Lotte Becker) macht die üblichen, pubertären Stimmungsschwankungen durch. Und in beruflicher Sicht läuft es, seit Thomas in einem Moment des alkoholisierten Überschwangs ausgetickt ist, ebenfalls nicht mehr wirklich rund. Um sich beim Chef einzuschleimen, nimmt Thomas daher kurzerhand die Tochter seines Vorgesetzten mit auf den Trip in die Schweizer Berge. Sarah (Annina Walt) erntet bei Jenny allerdings keine Sympathiepunkte, so dass sich Thomas gezwungen sieht, irgendwie für Frieden zwischen den Teenagerinnen zu sorgen.

Als die Mädels auf eine Party eingeladen werden, lässt er sie gegen Martinas Willen davonziehen – der Gutelaunebär Thomas könnte ja niemals jemandem etwas ausschlagen. Eine Entscheidung, die Thomas alsbald bereuen wird. Denn als er seine zwei Schützlinge wieder abholen will, trifft er im überschaubaren Tal eine aufgelöste Sarah an, die ihm ein grausiges Geheimnis mitteilt. Daraufhin verstrickt sich der harmoniesüchtige Thomas in ein Netz aus deeskalierenden Lügen ...

Autor und Regisseur Micha Lewinsky (Die Standesbeamtin) legt den Schwerpunkt seiner Erzählung zunächst auf Dramatik mit Bodenhaftung. Striesow spielt Thomas wie einen Jedermann, der zwar mit seinen nach eigenen Aussagen überkommenen Aggressionsproblemen eine gewisse Vergangenheit hat, im Jetzt aber betont alltäglich handelt. Das Gebot der Beschwichtigung ist ihm von hoher Bedeutung, und so säuselt Striesow Meinungsverschiedenheiten und Beschwerden innerhalb seiner Urlaubsgemeinschaft unaufgeregt hinfort. Sanftmütig leuchten seine blauen Augen, während er es seinen Mundwinkeln nur selten erlaubt, etwas anderes zu formen, als ein Lächeln – denn so ein Skiurlaub soll eine stressfreie Zeit sein!

Selbst nachdem Thomas von Sarahs schockierender Neuigkeit erfährt, bleibt sein Tonfall freundlich und ruhig. Die Vorbildlichkeit seines Harmoniestrebens bekommt allerdings alsbald Risse. Denn so löblich es sein mag, dass er im ersten Augenblick die verstörte Jugendliche zu besänftigen und ihr so ein Gefühl der Geborgenheit zu geben versucht, so fragwürdig ist sein längerfristiges Handeln: Thomas will sich nicht die Schuld auflasten, dass dem Mädchen etwas auf der Party widerfahren ist, auf die er sie hat gehen lassen. Und vor seinem Chef möchte er auch nicht unverantwortlich dastehen. Also beschwichtigt er Sarah weiter und weiter und weiter – bis die Fürsorglichkeit aus seiner Stimme entschwindet und die Empathie in seinem Gesicht einer kühl kalkulierten Miene weicht.

Striesow beherrscht es meisterlich, mit körperlichem Spiel eine Figur zu erschaffen, die eine Fassade der Freundlichkeit aufrecht erhält, und bei der es glaubhaft ist, dass ihr Umfeld darauf hereinfällt. Dem Publikum, das auch Momente verfolgt, in denen Thomas allein ist, und das obendrein in leinwandfüllenden Nahaufnahmen alle Details in seinen Regungen erkennen kann, bekommt derweil die wahren Beweggründe des Ängstlings mit: Selbsterhaltung allein regiert das Denken dieses vermeintlichen Lamms, das in der Not jedoch weder Freund noch Feind kennt.

Der Ich bin dann mal weg-Hauptdarsteller skizziert Thomas‘ ethischen Schlingerkurs eindrucksvoll und mit kleinen Gesten, während Lewinsky kontinuierlich die Fallhöhe steigert: Je linkischer Thomas vorgeht, je verzweifelter seine Ausflüchte werden, desto rabenschwarzer wird der Humor, der in den Dialogzeilen mitschwingt. Wenn auf die unfassbarsten Situationen weiterhin mit rückgratlosen Schönwettersprüchen gekontert wird, darf einem wiederholt das Lachen im Halse stecken bleiben. Gleichzeitig machen Striesows sich verhärtender Blick und die immer ärger konstruierten Wendungen deutlich, dass die Lage zu kippen droht. Gestützt von der unter die Haut gehenden, sensiblen Darbietung Annina Walts als fragile, eingeschüchterte Sarah wandelt sich aus dem anfänglichen Alltagsdrama nach und nach ein mutiger Mix aus Psychodrama und knochentrockener, rabenschwarzer Groteske.

Diese Metamorphose von Nichts passiert mag im ersten Moment übertrieben dramatisch erscheinen, jedoch dient sie als pointierter Widerspruch des Titels. Zudem lässt sie Lewinskys dritte Regiearbeit von einem stark dargestellten Dilemma zu einer leinwandreif überspitzten Ausnahmesituation emporklettern. Lewinsky hält dem alltäglichen Wegschauen-statt-Handeln-Kurs und dem gesellschaftlichen Mangel an Zivilcourage nicht bloß einen Spiegel vor, sondern strickt aus dieser Mentalität eine Parabel mit Ecken und Kanten, die weh tun.

Fazit: Toll gespielt, bissig und dramatisch: Nichts passiert ist ein Psychodrama mit bitterbösem Humor, das mit Nachdruck die Frage stellt, wie lange man schweigen kann, ehe man zum Täter wird.

Die Geschichte des Filmkusses

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Heute ist der Tag des Kusses. Zeit, für jeden Filmliebhaber, sich mit der über 100-jährigen Geschichte des Filmkusses auseinanderzusetzen. Glücklicherweise hat das British Film Institute ein Essay parat:


Brennendes Interesse (& WWE: Stone Age SmackDown!)

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Seid meiner letzten Standbildaufnahme, worauf ich mich in Sachen Film so alles freue, ist wieder viel Zeit vergangen. Doch nun juckt es mir wieder in den Fingern. Wie immer gilt: Dies ist nicht zwingend eine Rangfolge von "wird gut" bis "wird umwerfend", sondern eine Rangfolge von "ich freue mich sehr" bis "wenn der Film nun plötzlich vier Jahre nach hinten verschoben wird, drehe ich durch vor Neugier". Also: Schaut zu, wie ich in mich gehe und abwäge, worauf ich besonders gespannt bin. Und lasst mich gerne wissen, was eure "Most Wanted" sind!

Platz 25: Jungle Cruise

Disney-Themenparkverfilmungen sind bislang eine durchwachsene Sache. Ich liebe die Pirates of the Caribbean-Filme. Ich hasse Die Geistervilla. Ich gehöre zu den zweieinhalb Menschen auf diesem Planeten, die Die Country Bears für recht kurzweilig hält. Ich mag Im Jenseits sind noch Zimmer frei. Ich finde, wenn man ihn dazuzählt (was umstritten ist), Mission to Mars lahm. Jungle Cruise könnte Spaß machen, erst recht, da der Film in der Vergangenheit angesiedelt ist (hat in diesem "Genre" bisher nicht geschadet). Dwayne Johnson als Hauptdarsteller kann nicht schaden und die Autoren John Requa & Glenn Ficarra haben trotz mancher Ausrutscher mein Vertrauen.

Platz 24: Die glorreichen Sieben

Ich liebe Denzel Washington, ich mag Chris Pratt, all seinen filmischen Höhen und Tiefen zum Trotz habe ich stets eine gewisse Neugier diesbezüglich, was Regisseur Antoine Fuqua so treibt und Ethan Hawke sehe ich auch immer wieder sehr, sehr gerne.


Platz 23: Collateral Beauty

Was für ein Cast: Will Smith, Kate Winslet, Helen Mirren, Edward Norton, Michael Peña, Naomie Harris und die von mir sehr verehrte Keira Knightley versammeln sich hier in einem neuen Drama des Der Teufel trägt Prada-Regisseurs David Frankel. Na, da bin ich mal gespannt!

Platz 22: Tschick

Ich kann mir nicht helfen: Der Trailer zu Fatih Akins Jugendbuchadaption sieht einfach richtig schön aus.

Platz 21: Nerve

Ich habe eine leichte Schwäche für das Genre "Mutprobenfilm". Ich mag Emma Roberts und Dave Franco. Der Film scheint eine coole Optik zu haben. Kurz: Ich bin drin!


Platz 20: The House That Jack Build

Ich bin nicht durchgehend im Camp "Wir bejubeln Lars von Trier", Melancholia etwa hat zwar Stärken, aber auch genügend Schwächen, dass ich nicht Feuer und Flamme für den Film bin. Aber nachdem mich Nymph()maniac voll und ganz weggehauen hat, hätte von Trier alles ankündigen können, ich wäre heiß drauf. Eine Miniserie über einen Serienkiller in Washington, die nun doch als XL-Film ins Kino kommt? Das ist sogar eines der spannenderen Szenarien, die nun hätten folgen können. 2018 kann nicht schnell genug kommen.

Platz 19: Ghostbusters

Mir egal, wie schlecht die Trailer im Netz ankommen: Ich finde, dass der Cast einen gut abgestimmten Eindruck erweckt, Paul Feig ist ein Komödienregisseur, dem ich trotz Taffe Mädels vertraue und seine Filme sind eh immer mies betrailert. Das kann ein sehr launiger Film werden, und ich freue mich darauf, rauszukriegen, ob dem so ist!

Platz 18: The Mechanic 2 - Resurrection

Ich mag Jason Statham. Sehr sogar. Ich habe eine Schwäche für typische Jason-Statham-Vehikel. Eine große sogar. Das sieht danach aus. Nur extra edel im Look. Dennis Gansel ist ein fähiger Regisseur. Wird schon, wird schon!

Platz 17: Dunkirk

Christopher Nolan und Tom Hardy? Yes! Zweiter Weltkrieg? Na, meinetwegen ... Gerüchte über aufwändige, praktische Stunts? Sehr fein!

Platz 16: Beauty and the Beast

Sieht einfach schön aus, und die Beteiligung Alan Menkens stimmt mich zuversichtlich!

Platz 15: La La Land

Damien Chazelle. Emma Stone. Ryan Gosling. Ein Musical über das Filmgeschäft. Bin heiß drauf!

Platz 14: Kingsman:The Golden Circle

Ich habe großen Spaß am ersten Teil. Freue mich auf ein Wiedersehen mit Taron Egerton. Julianne Moore in einer Blockbuster-Rolle könnte auch mal wieder großen Spaß machen, Jeff Bridges und Elton John sind auch gern gesehen. Nur dass Halle Berry ebenfalls an Bord ist, macht mir Angst.

Platz 13: Live by Night

Ben Affleck hat sich zu einem meiner Lieblingsregisseure der Gegenwart entwickelt, während Elle Fanning, Titus Welliver und Sienna Miller auf der Cast-Liste nach einer interessanten Mischung klingen. Und die Prohibitionsära ist ein starkes Setting. Her damit!

Platz 12: Coco

Pixar. Mexiko. Mehr muss ich nicht wissen.

Platz 11: Black Panther

Starker Cast. Viel versprechender Regisseur. Und eine Figur, die im vor Highlights nur so strotzenden The First Avenger: Civil War zu den überraschenden, ganz großen Highlights gehört. Das macht nicht nur Lust auf mehr, das weckt auch großes Vertrauen: Marvel wird den ersten Solofilm eines schwarzen Marvel-Helden schon nicht in den Sand setzen!

Platz 10: MIB 23

Jonah Hill und Channing Tatum blödeln unter der Regie von James Bobin. Das. Wird. Klasse!


Platz 9: Birth of a Nation

Das gefeierte Historiendrama der Festivalsaison Anfang 2016 gilt schon jetzt als Oscar-Favorit, und der Trailer verspricht ein bildgewaltiges, emotionsgeladenes Kinoerlebnis.

Platz 8: Nocturnal Animals

Tom Ford tritt wieder hinter die Kamera: Der A Single Man-Regisseur versammelt in seinem zweiten Film einen tollen Cast, bestehend aus Aaron Taylor-Johnson, Amy Adams, Isla Fisher und Jake Gyllenhaal. Und die Story klingt so, als könnte sie uns einen ganz anderen, und dennoch den guten alten Ford bringen: Die Besitzerin einer Kunstgalerie fürchtet, dass ihr Ex-Mann sie in seinem neuen Thriller, einer garstigen Rachegeschichte, schlecht getarnt zu bedrohen versucht. Klingt stark.

Platz 7: Gore Verbinskis Driverless Car Race Movie

Gore Verbinsi. Bombast. Humor. Ein Riesenensemble (das leider erst noch bekannt gegeben werden muss). Gore Verbinski! Ich würde mir auch eine Adaption des Telefonbuchs von ihm ansehen! (Wird eine Ziege in einem der autonomen Autos sitzen? Ich hoffe doch!)

Platz 6: Vaiana

Oder Moana, im Original. Die Optik im Trailer sieht großartig aus, für die Musik ist "Mr. Hamilton" zuständig und nicht etwa das überbewertete Lopez-Ehepaar, Dwayne Johnson macht mit, Ron Clements & John Musker inszenieren. Und ich liebe "Sommerfeeling-Disney" ...

Platz 5 The Founder

Der Oscar-Pate der Jetztzeit, Michael Keaton, in einem mit bissigem Humor ausgestatteten Biopic über einen Geschäftsmann, der sich an den wahren McDonald's-Gründern vorbeimogelt? Klingt toll, der erste Trailer sieht spitze aus. The McSocial Network mit extra Spaßspielzeug? Ich hab Bock drauf!

Platz 4: Rogue One - A Star Wars Story

Felicity Jones in einem raueren, dunkleren Star Wars-Film? Gerne. Inszeniert von Godzilla-Regisseur Gareth Edwards? Sehr, sehr gerne. Mit Musik von Alexandre Desplat? Ich bin gespannt!
Platz 3: Girl on the Train

Ich habe den sauspannenden "Betrunkene Pendlerin glaubt, in einem Kriminalfall eine wichtige Zeugenaussage machen zu können, weil sie auf der Fahrt was verdächtiges gesehen hat"-Roman geradezu verschlungen, und mit Emily Blunt, Rebecca Ferguson und Haley Bennett hat sich Regisseur Tate Taylor drei fähige bis großartige Schauspielerinnen geangelt. Und als jemand, der keine 1:1-Adaptionen benötigt, habe ich kein Problem damit, dass der Film in New York, statt in London spielt. Könnte dem Ganzen direkt ein anderes Flair geben. Danny Elfman als Komponist hat auch bislang keinem Film geschadet ... Ach ... Ich freu mich wie verrückt auf den Streifen!

Platz 2: A Cure for Wellness

Gore Verbinski. Gore Verbinski dreht wieder einen kleineren Film. Gore Verbinski dreht einen kleinen Thriller. Gore Verbinski dreht einen kleinen Thriller mit Musik von Hans Zimmer. Gore Verbinski dreht einen kleinen Thriller mit Musik von Hans Zimmer und mit Dane DeHaan sowie Mia Goth als Teil des Casts. Gore! Verbinski! Hans! Zimmer! Thriller! Von Gore! Verbinski!

Platz 1: Pirates of the Caribbean: Dead Men Tell No Tales

Allen Negativschlagzeilen bezüglich Johnny Depp zum Trotz: Seine beste Leinwandrolle ist mir ans Herz gewachsen, und wann immer Joachim Rønning auf seinem Instagram-Account neue Bilder von der Pirates-Produktion veröffentlicht, spüre ich genau das. Diese kindliche Freude, mit der ich die ersten vier Teile erwartet habe. Das losgelöste Spekulieren, Träumen und Hoffen, was passieren könnte. Nun muss ich einfach nur endlich offiziell erfahren, wer die Musik komponiert (Geoff Zanelli ist gerüchteweise zuständig, aber halt nur gerüchteweise). Je nachdem, welcher Name fällt (gerne Geoff!), brauch ich gar keinen Trailer für das neue Piratenabenteuer. Wird schon!

Colonia Dignidad – Es gibt kein Zurück

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Der 11. September 1973 ist ein dunkler Tag in der chilenischen Geschichte: Der erbarmungslose General Augusto Pinochet stürzt den sozialistischen Präsidenten Salvador Allende, reißt die Macht an sich und lässt noch am selben Tag mehrere Tausend Unterstützer Allendes in Gewahrsam nehmen. Einige von ihnen werden kaltblütig erschossen, andere werden in die Colonia Dignidad verfrachtet – eine auslandsdeutsche Siedlung in der Nähe von Catillo und Parral. Das festungsartig von der Außenwelt abgeschottete Areal beheimatet eine vom deutschen Einwanderer Paul Schäfer angeführte Sekte, welche sich zu großen Teilen der Errungenschaften der Moderne entsagt. Vermeintlich, um ein reines, von Verführungen befreites Leben nahe Gott zu führen. Der größenwahnsinnige Sektenführer Schäfer nutzt seine Macht innerhalb der Gemeinde jedoch auch zum eigenen Vorteil. Darüber hinaus kooperiert er mit Pinochet und stellt seine Kolonie als Folterzentrum für Feinde der Militärregierung zur Verfügung.

Vor diesem realen Hintergrund erzählt Regisseur und Ko-Autor Florian Gallenberger in Colonia Dignidad – Es gibt kein Zurück die fiktionale Geschichte zweier Außenstehender, die in diese finsteren Stunden Chiles verwickelt werden. Den Fokus dieser Mischung aus Thriller und Historiendrama teilen sich der politisch motivierte, aus Deutschland stammende Fotograf Daniel (Daniel Brühl) und seine Freundin, die Flugbegleiterin Lena (Emma Watson). Als der für Allende Stimmung machende Daniel in die Fänge Pinochets gerät, beschließt Lena, sich an die Fersen ihres Geliebten zu heften und ihn zu befreien – koste es, was es wolle. Nachdem sie in Erfahrung bringt, dass er in die Colonia Dignidad verschleppt wurde, gibt sich Lena als gottesfürchtiges, verlorenes Mädchen aus, das in der Glaubensgemeinschaft ein neues Leben beginnen will. Ihr Coup gelingt und sie wird aufgenommen – doch aufgrund der strikten Geschlechtertrennung und des streng organisierten Tagesablaufs scheint es schier unmöglich, an Daniel zu gelangen …

Die internationale Gemeinschaftsproduktion braucht ihre Zeit, um in Gang zu kommen. Bevor Lena zwecks ihrer Rettungsmission aus eigenen Stücken die oftmals wie ein Arbeitslager anmutende Kolonie betritt, zeigt Gallenberger die letzten Stunden vor Pinochets Machtergreifung. Dieser erste Akt von Colonia Dignidad ist jedoch arm an konkreten Fakten über Chiles Politik und daher unnötig langgezogen. Auch die Beziehung zwischen Daniel und Lena bleibt oberflächlich: Brühl und Watson tollen lächelnd vor der der Kamera, die sie in kräftig-kitschigen Farbtönen einfängt, und Brühls Rolle darf obendrein ein paar politische Parolen von sich geben. Trotz der für diesen Einstieg in die Geschichte freigeräumten, stattlichen Laufzeit bleiben diese Figuren zunächst Abziehbilder und ihre Liebe zueinander ein im Skript geäußerter Umstand – im Gegensatz zu einer spürbaren Bindung.

Wenn Lena für Daniel das Undenkbare tut und sich Schäfers Sekte anschließt, so ist das ein Entschluss, den der Betrachter einfach schlucken muss. Große Spannung will (trotz nun karger, ausgebleichter Farbästhetik) angesichts der bis dahin flach skizzierten Figuren allerdings kaum aufkommen. Auch sobald Gallenberger die Gangart seiner Regiearbeit ändert und Colonia Dignidad vorübergehend zum Paranoiathriller mutieren lässt, bleibt das Spannungsniveau überschaubar: Die Filmmusik von André Dziezuk und Fernando Velázquez wummert und quäkt sich so überdramatisch durch die Szenen, in denen Lena mit großen, alles aufsaugenden Augen durch die Kolonie stapft, dass durch die übertriebenen Suspenseklänge kein glaubwürdiges Flair aufkommen will. Der Handlungsstrang um Daniel, der sich nach ausgiebiger Folter dumm stellt, um endlich verschont zu werden, ist eingangs ebenfalls sehr dick aufgetragen. Erst, sobald die Gemeinschaft Daniels Präsenz ungefragt hinnimmt, werden die Szenen rund um Brühl reizvoller: Der deutsche Kinostar kann in diesen späteren Sequenzen seiner Figur zusätzliche Facetten verleihen, indem er die Maskerade Daniels mal nachdrücklicher durchzieht, mal völlig selbstbewusst drosselt oder aus Nachlässigkeit fallen lässt.

Auch Watsons Sequenzen profitieren davon, wenn Gallenberger nicht weiter den Psychothriller-Aspekt der Geschichte forciert: Nachdem Lena gedrillt wurde, die Regeln der Sekte zu befolgen, entwickelt das Drehbuch kleinere moralische Zwickmühlen, in welche die Stewardess tappt. So muss sie nicht nur sich selbst beschützen und argwöhnische Sektenmitglieder austricksen, sondern obendrein ein Auge auf freundlichere Leidensgenossinnen halten – Vorhaben, die sich nicht immer vertragen. Diese Herausforderungen Lenas sorgen dafür, dass die Harry Potter-Nebendarstellerin nicht länger vom gebotenen Material unterfordert wird und mimisch endlich auftaut.

Der qualitative Aufwärtstrend von Colonia Dignidad setzt sich im Schlussakt fort, der den Fluchtversuch der beiden Protagonisten schildert. Neben einer beklemmend gefilmten Szene in einem überfluteten Tunnel umfasst das letzte Drittel des Films auch eine packende Verfolgungsjagd, in der Cutter Hansjörg Weißbrich hocheffektiv zwischen den Gejagten und den Jägern hin und her schneidet. Die realen politischen Verwicklungen bleiben bei diesem Pulsschlagfinale zwar bedauerlicherweise ominös, trotzdem reißt das Auf und Ab der Heldenfiguren mit und entschädigt zumindest teilweise für den mageren Auftakt dieses Thrillerdramas, das Verblendung-Hauptdarsteller Michael Nyqvist in seiner bislang schmierigsten Rolle zeigt: Als Sektenführer Schäfer, der sich im um ihn zelebrierten Kult suhlt, ist ein selbstgefälliger, schleimiger Sadist, der sich (vergeblich) wie ein erzkonservativer, ruhiger Bürger zu geben versucht. Ein Bond-Schurke im Kostüm eines Kaffeefahrten-Dauerkunden – eine beeindruckende, wenngleich für ein Historiendrama etwas aufgesetzte Performance. Trotzdem stellt Nyqvist in all seinen Szenen einen wandelnden Extraschuss Spannung dar, den Colonia Dignidad für rund die Hälfte seiner Laufzeit auch durchaus benötigt.

Fazit:Colonia Dignidad – Es gibt kein Zurück ist zugleich ein Historiendrama, das den politischen Kontext seiner Geschichte nur schwach beleuchtet, und ein Thriller, der seine Zeit braucht, um in Gang zu kommen.


Zoomania

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Die Walt Disney Animation Studios durchlaufen derzeit eine Phase der Vielseitigkeit: Nach dem immens erfolgreichen Märchenmusical Die Eiskönigin – Völlig unverfroren startete mit Baymax – Riesiges Robowabohu der erste Superheldenfilm des Traditionsstudios in den Kinos. Die Adaption einer wenig bekannten Marvel-Comicreihe wurde von positiven Kritiken begrüßt und generierte ein stattliches Einspielergebnis. Als nächstes entführt das Disney-Trickstudio in eine Welt ohne Menschen: Zoomania ist nur von anthropomorphen Tieren bevölkert. Und mit eben diesen sprechenden, auf zwei Beinen laufenden Tieren erzählt Disney eine Geschichte über Gerechtigkeit und den steten Kampf gegen Vorverurteilung.

Jahrhunderte, nachdem Säugetiere die Wildnis verlassen und eine zivilisierte Gesellschaft gegründet haben, hallen noch immer Vorurteile durch die Gedanken jedes Einzelnen: Zwar bekommen Kinder beigebracht, dass jeder alles erreichen kann, letzten Endes glauben Erwachsene aber nicht daran. Wie etwa die Eltern der Häsin Judy Hopps (Originalstimme: Ginnifer Goodwin / deutsche Synchro: Josefine Preuß). Judy träumt davon, als erste ihrer Art in der Großstadt Zoomania Polizistin zu werden. Ihre Eltern hingegen bekommen bei diesem Gedanken das Grauen. Judy verbeißt sich trotzdem in ihren großen Berufswunsch. Und tatsächlich gelingt es ihr, die Polizeiprüfung zu bestehen und nach Zoomania zu gehen. Dort werden Judy prompt neue Steine in den Weg gelegt: Ihr Vorgesetzter lässt sie bloß Politesse spielen – dabei gibt es aktuell zahlreiche Vermisstenfälle zu lösen! Die verbissene Judy steigert sich in diesen Job hinein, während sie ungeduldig auf eine Gelegenheit wartet, ihr wahres Können zu beweisen.

Als die optimistische Häsin doch einen Vermisstenfall übernehmen darf, bekommt sie prompt ein knallhartes Ultimatum gestellt, weshalb ihr nur eine Option bleibt: Sie muss sich Tipps beim gerissenen Fuchs Nick Wilde (Jason Bateman / Florian Halm) holen. Doch Zivilisation hin, Zivilisation her: Fuchs und Hase sind sich auch in Zoomania nicht grün …

Die von Ralph reicht’s-Regisseur Rich Moore und Rapunzel – Neu verföhnt-Macher Byron Howard inszenierte Produktion ist zu einem Teil eine kesse Komödie mit Cartoon-Tieren, zu einem Teil ein flauschiger Buddy-Cop-Movie und zu einem Teil ein überraschend politischer Unterhaltungsfilm. Allen Aspekten, aus denen sich Zoomania zusammensetzt, ist der hohe Comedy-Faktor gemein: Disney-Animationsfilme sind zwar nahezu ausnahmslos humorvoll, doch dieser setzt auf ein sattes Gagfeuerwerk, wie man es von Disney nur selten zu sehen bekommt. Ganz gleich, ob die Filmemacher Pointen daraus gewinnen, dass sie ein tierisches Spiegelbild unserer Welt schaffen, oder sie auf Klischees des Polizeifilms anspielen: Die Gagdichte ist immens hoch, und aufgrund des großen Findungsreichtums fällt auch die Trefferquote äußerst zufriedenstellend aus. Von Disney-Eigenparodien hin zur Faultier-Zulassungsbehörde: Für nahezu jede humoristische Neigung wird etwas geboten.

Bei aller Spaßigkeit geht Zoomania zwischen den Zeilen allerdings unerwartet stark darauf ein, was in unserer Welt so alles schiefgeht – und was sich wohl selbst in einem Paralleluniversum voller Tiere nicht ändern lässt: Die Disney-Künstler erschaffen mit diesem Trickspaß eine große Analogie zum Thema Rassismus und Schubladendenken. In Zoomania denken Beutetiere, wie etwa Hasen und Schafe, dass Raubtiere von Natur aus gefährlich sind. Füchse halten Hasen für dumm, Elefanten haben natürlich allesamt ein gutes Gedächtnis. Selbstredend wurde ein Löwe zum Bürgermeister gewählt (der das ihm untergeordnete Schaf andauernd herumkommandiert), Otter gelten als süß und unschuldig, Wieseln dagegen sollte man nicht über den Weg trauen. Mit diesen Vorurteilen gehen die Bewohner des Schmelztiegels namens Zoomania unterschiedlich um: Während Judy unentwegt dagegen anzukämpfen versucht und blauäugig predigt, dass jeder alles sein kann, sonnt sich Nick darin, alles zu erfüllen, was die Gesellschaft über Füchse denkt. Doch hinter dieser Fassade wünscht sich Nick ein freieres Denken, wohingegen die sich selbst als aufgeklärt umjubeln lassende Judy sehr wohl versteckte Vorurteile hat ...

Die Botschaften von Zoomania sind allesamt verständlich und familientauglich verpackt, darüber hinaus vermeidet es das Autoren-Team, reale politische Probleme 1:1 auf seine Tierwelt zu übertragen. Es ist unmöglich, Zoomania-Gruppen exakt als bestimmte demografische Gruppen unserer Realität zu entschlüsseln, stattdessen setzen sich Vorurteile, Benimmregeln und Tabus in dem Disney-Tieruniversum aus diversen echten Vorbildern zusammen: Mal beschweren sich Hasen über das Vokabular, das man ihnen gegenüber anbringt, dann wird es tabuisiert, das flauschige, krause Haupthaar von Schafen anzufassen. Durch dieses „Mix & Match“-Verfahren vergrößern die Filmschaffenden das Identifikationspotential mehrerer Figurengruppen und drosseln zugleich das Potential für Kontroversen, da sich die Ärgernisse aus der Filmrealität nur partiell in die Wirklichkeit übertragen lassen.


Darüber hinaus sorgt die visuelle Gestaltung von Zoomania dafür, dass die teils sehr spitzen politischen Seitenhiebe in eine vergnügliche Verpackung gebettet werden: Nachdem schon Baymax damit punktete, dass die Disney-Künstler mit der Großstadt San Fransokyo einen faszinierenden Schauplatz erschaffen haben, zeigt nun auch Zoomania den schöpferischen Ideenreichtum der Disney-Trickstudios in Sachen filmischer Großstädte. Da diese Komödie, im Gegensatz zu fast allen anderen Trickfilmen über vermenschlichte Tiere, die realen Größenverhältnisse zwischen den jeweiligen Tierarten achtet, ist die Stadt Zoomania auf eine Vielzahl von kleinen Einfällen angewiesen, um zu funktionieren. So haben Züge mehrere Türen, um Nagern und Hünen ein gleichermaßen sicheres Ein- und Aussteigen zu ermöglichen. Und Verkaufsstände in Bahnhöfen verfügen über Rohrpost-Gadgets, damit die Verkäufer die Produkte an größere Kunden losschlagen können. Der Film platzt geradezu vor solchen Details, welche den Schauplatz lebendig und faszinierend machen – und somit auch bei mehrfacher Filmsichtung dafür sorgen, dass noch immer liebevoll eingebaute Kleinigkeiten entdeckt werden können.

Diese Detailliebe ist auch in der Figurenanimation wiederzuentdecken: Das Fell sämtlicher Tiere ist einzigartig, es verhält sich im Wind und bei direkter Sonneneinwirkung jeweils anders und auch die mimischen und gestischen Ticks der Tierarten sind mannigfaltig. Vor allem das zentrale Duo erhält durch diese Feinheiten einprägsame Charakteristika, aber auch die illustre Riege an Nebenfiguren wird durch die Übertragung echter, tierischer Verhaltensweisen in diese Cartoonwelt sehr denkwürdig. Wohl jeder Kinogänger wird Zoomania mit einem persönlichen Favoriten verlassen, der sich durch diesen wilden Filmspaß tummelt.

Für die musikalische Untermalung dieses Geschehens haben Rich Moore und Byron Howard den Oscar-Preisträger Michael Giacchino verpflichtet. Der Lost-Komponist, der für die Musik mehrerer Pixar-Filme verantwortlich ist, verleiht der tierischen Komödie ein variationsreiches Klangbett voller kultureller Referenzen. Giacchinos Zoomania-Score verbindet Anklänge an Cop-Serien und Actionfilm- und Kriminaldrama-Klassiker sowie zahlreiche, den ganzen Globus umspannende Einflüsse. Von dschungelhafter Percussion über indisch angehauchte, losgelöste Melodien bis hin zu italienischer musikalischer Folklore: Zoomania entführt auf eine musikalische Welt- und Zeitreise, der es allerdings an einem deutlich erkennbaren roten Faden mangelt. Deshalb bleibt dieser Score hinter Giacchinos einprägsam-schwungvollen Die Unglaublichen-Kompositionen oder seiner atmosphärischen Ratatouille-Arbeit zurück. Und handlungsbedingt ist sie auch nicht so herzzerreißend wie die ebenfalls von Giacchino erdachten Klänge aus Alles steht Kopf und Oben. Ein Flop ist Giacchinos spaßige, energiereiche Begleitmusik dieser Disney-Trickproduktion aber keineswegs – sie ragt bei ihrer Vielzahl an Querverweisen bloß nicht so sehr als Gesamtwerk hervor wie die Pixar-Stücke des Komponisten.


In gewisser Weise passt der Score somit perfekt zum Film: Zoomania glänzt mit Einfallsreichtum und einer Fülle an Details, Referenzen und kleinen Gags. Und die Verquickung aus Disney-Cop-Komödie und cleverem Statement für eine friedvollere, vielseitigere Welt ist so gelungen, wie sie überrascht. Aber diese Menge an faszinierenden Kleinigkeiten überschattet teilweise die Figuren: Judy Hopps ist liebenswert, Nick Wilde ist cool und die zahlreichen Nebenfiguren amüsant, allerdings hallen die Aussage und der Witz des Films stärker nach als die soliden Charaktermomente.

Fazit: Tierisches Lachmuskeltraining für die ganze Familie: Zoomania ist mit seiner immensen Detailliebe und beeindruckendem Ideenreichtum ein extrem vergnüglicher Trickspaß, der seine löbliche politische Botschaft mit einem rasanten Gagfeuerwerk übermittelt. Die von Disney gewohnte Herzlichkeit wird bei diesem Comedy-Tumult allerdings etwas zurückgefahren.

Star Trek Beyond

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Auf dem Papier sahen die Startvoraussetzungen für Star Trek Beyond denkbar schlecht aus. Zumindest, was die Frage angeht, wie sehr er mir gefallen könnte. Nachdem ich J. J. Abrams'Star Trek unterhaltsam fand, mir die Neuinterpretation der Enterprise-Crewmitglieder aber etwas zu zickig ausfiel, fuhr Star Trek Into Darkness das frisch rebootete Franchise direkt wieder gegen eine Wand. Angestrengt-düstere Stimmung, ohne dass diese inhaltlich gerechtfertigt wäre. Der nunmehr berühmt-berüchtigte "Twist" mit Benedict Cumberbatch. Und derartig viele, die neuen Elemente erdrückende Referenzen auf die Vorlage, dass im direkten Vergleich Creed und Star Wars: Das Erwachen der Macht wie Filme wirken, die vollkommen neue Stoffe darstellen.

Dass Abrams bei Star Trek Beyond die Regiepflichten wieder abgibt, stimmte mich auch nicht optimistischer, wurde er doch von Justin Lin beerbt, dem Macher zahlreicher Fast & Furious-Filme, also einer Reihe, mit der ich nie wirklich warm geworden bin. Und deren für mich annehmbarster Teil nicht von Lin stammt. Am ehesten klang der Austausch der Autoren vielversprechend, übernahmen nun doch Star Trek-Fan Simon Pegg und Confidence-Autor Doug Jung den Job. Frisches Blut im Autorenzimmer des etablierten Sci-Fi-Franchises konnten nach Star Trek Into Darkness wahrlich nicht schaden.

Angesichts der in meinen Augen angestrengt wirkenden Trailer bin ich dennoch mit sehr niedrigen Erwartungen in die Pressevorführung gegangen. Doch bereits nach wenigen Minuten wurden diese hinfort geblasen: Allein in der ersten Sequenz hat Chris Pine alias James T. Kirk mehr Spaß vor der Kamera als im gesamten Star Trek Into Darkness-Abenteuer. Und das wohlgemerkt, ohne das ursprüngliche Star Trek-Feeling aufzugeben. Die von den Trailern losgetretenen Befürchtungen vieler Filmfreunde, Justin Lin könnte aus der traditionsreichen Reihe ein "Guardians of the Galaxy light" formen, waren unbegründet. Wobei gesagt werden muss: Was nach Kirks sehr komisch entgleisenden Friedensgesprächen mit einer visuell interessant gestalteten Alienrasse losgetreten wird, ist bei weitem nicht der smarteste, nachdenklichste Teil der Kinoreihe. Da er seine Figuren aber mehr respektiert und ihnen mehr Raum für kleine, leichtfüßige, aber in sich schlüssige Miniplots gibt, als ähnlich actionreiche Teile wie Star Trek Into Darkness und Star TrekNemesis, darf man ihn aber wenigstens sorglos als "Star Trek nach einer Adrenalinspritze" bezeichnen.

Die ihrer Mission langsam müde werdende Crew Enterprise möchte ein anderes, in Not geratenes Raumschiff aus seiner misslichen Lage befreien, wird dabei aber von einer feindlich gesinnten Flotte angegriffen. Die Enterprise landet auf einem nahezu unbevölkerten Planeten Bruch und wird dabei getrennt. Währens Spock (Zachery Quinto) schwer verletzt wird und Pille (Karl Urban) vom Vulkanier rasch die Schnauze voll hat, macht Scotty (Simon Pegg) die Bekanntschaft mit einer kämpferischen Einzelgängerin namens Jaylah (Sofia Boutella), die über Kenntnisse bezüglich der Flotte verfügt, die die Enterprise erfolgreich niedergeschossen hat. Nun gilt es für das Team der Enterprise, wieder zusammenzufinden und die über eine mächtige Waffe verfügenden Gegner unschädlich zu machen, ehe sie ihre Gerätschaft an größeren Zielen ausprobiert ...

Für größere Emotionen ist in der temporeichen, stets vorantreibenden Geschichte kaum Zeit: Spock und Uhura (Zoe Saldana) haben ihr Techtelmechtel wieder beendet, was Pegg und Jung jedoch primär als Antriebsfeder eines narrativen Nebenstrangs nutzen (sowie als aufgeweckten "Komm aus dieser Sackgasse wieder raus"-Joker für ein Problemchen, dass sich den Protagonisten in der zweiten Filmhälfte stellt). Kirk wiederum hinterfragt seinen Dienst als Kapitän, was jedoch in nur wenigen, etwas längeren Dialogszenen zum Ausdruck kommt. Allein die Verneigung vor Leonard Nimoy wird ruhig und ehrfürchtig abgewickelt, was für einen Augenblick der Besinnlichkeit sorgt. Generell läuft die "Erst sich selbst wieder aufsammeln und dann die Schurken stoppen"-Handlung eher unter dem Motto: "Wie können wir diese Figuren in eine Actionhandlung schubsen, ohne dass sie sich dabei untreu werden?"

Diese Mission erfüllt Star Trek Beyond allerdings sehr erfolgreich: Die Helden denken mehr (und schlüssiger) darüber nach, wie sie ihre Herausforderungen meistern könnten, als noch im Vorgänger, und die Peggs Handschrift aufweisenden Frotzeleien zwischen den Enterprise-Mitgliedern sind nicht nur pointiert und werden praktisch durchgehend spritzig von ihren Darstellern dargeboten, sondern sind auch stets "in character". Zudem kommen sie ohne das ständige "Wir sind eine Familie"-Gelaber aus, das die meisten Skripts aufweisen, mit denen Justin Lin sonst arbeitet.

Der Action wiederum ist deutlich anzumerken, welchen Hintergrund der Regisseur mitbringt. Die Kamera wirbelt viel herum (und auch abseits der Actionszenen arbeitet sie viel unter der Prämisse "viel Bewegung hält das Adrenalin oben"), doch da Lin nicht zu sehr auf Nahaufnahmen setzt und trotz zügiger Schnittarbeit auch das Tempo variiert und zwischendurch auf längere Kamerafahrten setzt, ist eine Übersicht auf das Geschehen gewährleistet. Gadgets und weitere Kniffe werden vorab etabliert, vor allem im Finale sorgt eine kraftvolle Abstimmung zwischen Bild und Musik für Pepp und von zwei oder drei Fällen, in denen die Komposition mehrerer CG-Effekte nicht ganz ausgereift ist, stimmt auch der Look. Vor allem die zahlreichen praktischen Effekte und Make-up-Leistungen sind löblich - sowie die Abkehr von Abrams' Lens-Flare-Sucht.

Der Plot ist zwar alltäglich und wenig ideenreich, und bis der Schurke an Charakter gewinnt, lässt sich Star Trek Beyond viel Zeit. Doch für einen dynamischen, humorvollen Sci-Fi-Actionfilm stimmt die Mischung einfach. Für mich Justin Lins bislang bester Film sowie der beste Teil der bisherigen Star Trek-Reboot-Saga.

13 Hours – The Secret Soldiers of Benghazi

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Krawallregisseur Michael Bay hat in seiner elf Langfilme umfassenden Regiekarriere bereits zwei Mal eine wahre Geschichte adaptiert. Bei seinem ersten Versuch lieferte er das pathetisch-patriotische Schmacht-Kriegsepos Pearl Harbor ab. Bays zweiter Film auf Basis realer Begebenheiten hört auf den Titel Pain & Gain und ist eine raue, schwarzhumorige Dekonstruktion des amerikanischen Traums. Mit seinem zwölften Spielfilm begibt sich Bay ein drittes Mal aufs Parkett der dramatisierten Leinwand-Nacherzählung verbürgter Geschehnisse – und diese fällt tonal ganz anders aus als Pearl Harbor sowie Pain & Gain. Da behaupte nochmal jemand, der Transformers-Regisseur sei nicht vielseitig!

Hohe filmische Qualität geht damit jedoch nicht sogleich einher: Das von Chuck Hogan (The Strain) verfasste Action-Drama druckst auf politischer Ebene herum und markiert sich dem thematischen Überbau zum Trotz über weite Strecken schlicht als harte Thrillerkost. Diese bleibt aufgrund von dramaturgischen Mängeln und einer im ausgedehnten Finale sehr monotonen Inszenierung allerdings hinter ihren Möglichkeiten zurück. Die Geschichte spielt 2012 in Bengasi: Die libysche Stadt ist längst zum politischen Brennpunkt verkommen, weshalb viele Nationen ihre diplomatischen und militärischen Vertreter zurückgezogen haben. Die CIA unterhält allerdings weiterhin einen Stützpunkt, der auf die Hilfe privater Sicherheitskräfte zählt.

Als in der Nacht des 11. Septembers 2012 das US-General-Konsulat in Bengasi mit schwerem Geschütz angegriffen wird, wollen der ehemalige Soldat Jack (John Krasinski) und seine Kollegen sofort eingreifen. Doch Jack, Rone (James Badge Dale), Tanto (Pablo Schreiber), Boon (David Denman), Oz (Max Martini) sowie Glen (Toby Stephens) wird es von ihrem Vorgesetzten strengstens untersagt, zu handeln. Als sich die Lage in der Botschaft zunehmend verschlechtert und es auch so aussieht, als wäre der CIA-Stützpunkt in Gefahr, beginnt für die knallharten Männer ein 13 Stunden andauernder Einsatz gegen die undurchschaubaren Milizen und die eigenen Schwächen …

Die rund 145-minütige Hollywood-Produktion eröffnet mit einem hochspannenden Einstieg: Jacks Eintreffen in Bengasi und der erste Einsatz seines Teams als Bewacher der Undercover-Agentin Sona Jillani (Alexia Barlier, Fast Track: No Limits) wecken Erinnerungen an den frühen Michael Bay. Rau, mit treibendem Erzähltempo und rasanten, doch nie frenetischen Schnitten hat der erste Akt von 13 Hours das Feeling eines „Bad Boys in Libyen“. Inhaltlich bringt dieser Prolog die Geschichte wohlgemerkt kaum voran, da Hogans Skript mit Informationen über die Motivation der jeweiligen Milizen spart und auch bei der Charakterzeichnung von Jack und Konsorten nur auf die üblichen Abkürzungen zurückgreift: Sie sind taffe Kerle mit großem Herzen für ihre Familie und verspieltem Humor. Allerdings ist der Anfang des Films zügig erzählt und abwechslungsreich in Szene gesetzt. Sobald die eigentliche Handlung beginnt, ändert sich dies jedoch.

Hogan tritt bei der Skizzierung der Ereignisse vom 11. September 2012 zunächst auf der Stelle, wendet viel Zeit dafür auf, die flache, kitschige Charakterzeichnung seiner Helden auszubreiten – inklusive pathetischer Erinnerungssequenzen an schöne Familienstunden. Sobald die Nacht hereinbricht und in Bengasi alles drunter und drüber geht, fasst 13 Hours zwischenzeitlich wieder Fuß: Bay fängt mit trockenem Witz und solider Dramatik ein, welch eigenartiger Mikrokosmos ein solcher Brennpunkt wie die lybische Hafenstadt sein kann. Während die US-Einsatzkräfte um ihr Leben bangen und unentwegt rätseln, wer auf ihrer Seite ist und wer ihnen nach dem Leben trachtet, schauen Anwohner unter dem Sternenhimmel Fußball. Die Actioneinlagen fängt Bay derweil mit angemessener Härte ein: Er zeigt, dass jeder Schuss tödlich enden kann und begeht einen diffizilen Balanceakt zwischen kinotauglichem Style und strikter Verweigerung einer voyeuristischen Haltung. Wenn dann aber der Ami-Stützpunkt vor Angreifern verteidigt werden muss, wird 13 Hours zu einem monotonen Bleihagel: Bay inszeniert die Schusswechsel zwischen den auf Dächern stationierten Amerikanern und den vom Boden aus angreifenden Terrormilizen genauso ausführlich wie einseitig.

Von Minute zu Minute sinkt die Spanungskurve ins Bodenlose, weil die bedrohlich geschilderte Action wie ein Presslufthammer auf den Betrachter einhämmert: Laut, hart, ohne jegliche Abwechslung. Lorne Balfes Musikuntermalung ist ähnlich einseitig: Effiziente, atmosphärisch-kühle Sounds wummern vor sich hin, ohne je neue Akzente zu setzen. Die größte Stärke von 13 Hours ist derweil die imposante Kameraarbeit des Oscar-Preisträgers Dion Beebe (Die Geisha). Unter der Verwendung hochmoderner, technisch herausragender Digitalkameras präsentiert sich der actionreiche Thriller in gestochen scharfen, kontrastreichen Bildern, die jeden einzelnen Tropfen Schweiß der Hauptfiguren sichtbar machen. Dass Beebe und Bay in zahlreichen Szenen auf den im modernen Actionkino überreizten Blau/Orange-Kontrast setzen, zeugt zwar nicht von großem Einfallsreichtum. Handwerklich ist die Kameraführung und Lichtsetzung in 13 Hours dennoch makellos. Ganz gleich, ob die „Secret Soldiers“ am helllichten Tag heimlich ihre Waffen zücken, oder es bei Nacht gilt, die Schatten lebloser Gegenstände von denen sich versteckender Feinde zu unterscheiden: Durch den präzise gesetzten Fokus und die dynamische Farbästhetik stellt Bays zwölfte Regiearbeit ein optisch eindrucksvolles Werk dar – selbst wenn Bay den ausgedehnten Höhepunkt erschreckend monoton abfilmt.

In der Schilderung des politischen Konflikts versucht sich 13 Hours derweil darin, nicht stur patriotische Lobeshymnen anzustimmen. Feinfühligkeit geht dem Drehbuch trotzdem abhanden: Auch wenn beiläufig der Sinn des US-Einsatzes hinterfragt wird und die Figuren auf libyscher Seite vergleichsweise abwechslungsreich gezeichnet werden, erlaubt sich das Dialogbuch lächerliche Plattitüden. Darüber hinaus feiert es Hogan völlig ohne kritische Nachfragen, wenn Amerikaner ihr Leben für ihr Heimatland aufs Spiel setzen, und vertritt eine widerliche anti-intellektuelle Haltung: Studierte Vorgesetzte, die erstmal abwarten, die Lage einschätzen und Strategien schmieden wollen, sind in der Weltsicht dieses Action-Dramas nutzlose Waschlappen. Der handelnde Soldat mit dem Finger am Abzug ist mehr wert als der grübelnde Stratege. Traurig, dass Bay ausgerechnet bei solch einem ernsten Film zu einer ungewollten Selbstparodie verkommt. Mit Pain & Gain bewies er doch noch, dass er anders kann …

Fazit: Durchwachsen angefangen, im Finale geht es steil bergab: Mit 13 Hours: The Secret Soldiers Of Benghazi erschafft Michael Bay ein hohles, gut aussehendes Action-Drama, dessen spannender Einstieg durch einen monotonen Abschluss niedergeprügelt wird.

Trumbo

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Hollywood: Traumfabrik und Sündenpfuhl zugleich. So sehr das Filmmekka Jahr für Jahr mehrere Millionen von Menschen mit seinen Produktionen unterhält – hinter den Kulissen geht es in der Kinobranche ganz und gar nicht sauber zu. Nachdem erst kürzlich mit Hail, Caesar! eine ebenso liebevoll-komische, wie satirisch-neckische Verneigung vor den dubiosen Machenschaften Hollywoods anlief, steht eine weitere Produktion an, die Leichtfüßigkeit mit kritischen Tönen vermengt: Das Biopic Trumbo handelt vom gefeierten Drehbuchautor Dalton Trumbo und ist vornehmlich während einer Zeit angesiedelt, in der die Welt des Glamours von einer pechschwarzen Wolke verachtenswerter Politik bedeckt wurde. Und trotzdem findet die Regiearbeit von Jay Roach (Austin Powers-Trilogie) einen Weg, diesem grimmen Kapitel in der Hollywood-Historie mit einem Schalk im Nacken zu entgegnen …

Das von John McNamara (Aquarius) verfasste, humorvolle Drama nimmt zu einem Zeitpunkt seinen Anfang, an dem sich Trumbo (Bryan Cranston) zur Elite Hollywoods zählen darf: Weil er mit zügigem Tempo ausgefeilte, hochwertige Drehbücher abliefert, erhält er ein Gehalt, das für einen Autoren außergewöhnlich hoch ist. Aber nicht jeder gönnt dem Familienvater seinen Erfolg: Weil er Mitglied der Kommunistischen Partei ist, wird Trumbo in den Anfangsjahren des Kalten Krieges von antisowjetischen Branchenkollegen kritisch beäugt. Zu den lautesten Stimmen, die gegen Trumbo und seine ideologisch gleich tickenden Freunde hetzen, zählen die Klatschkolumnistin Hedda Hopper (Helen Mirren) und der erzkonservative Schauspieler John Wayne (David James Elliott). Anfangs suchen Trumbo und Weggefährten wie Mime Edward G. Robinson (Michael Stuhlbarg) noch selbstbewusst die direkte Konfrontation, doch schon bald nimmt die Kommunistenhatz unangenehme Züge an. Das House Committee on Un-American Activities (HUAC) schickt politische Feinde ins Gefängnis und die Motion Picture Alliance for the Preservation of American Ideas (MPAPAI) verhängt jenen, die nicht (oder nicht mehr) einsitzen ein Arbeitsverbot. Trumbo allerdings lässt sich seinen geliebten Beruf nicht einfach so wegnehmen. Alsbald füttert er seine Familie durch, indem er mittels Pseudonymen und Strohmännern Skripts wie am Fließband produziert …

Eine umfassende Chronik der Schrecken, die die sogenannte Schwarze Liste politischer Gegner in den USA verursachte, ist Trumbo nicht geworden. Autor McNamara vereinfacht das Geschehen extrem. Etwa, indem er mehrere reale Leidensgenossen Trumbos zu fiktiven Figuren zusammenfasst, vor allem aber dadurch, dass er die menschlichen Dramen in der zweiten Filmhälfte nur gelegentlich durchschimmern lässt. Sobald Trumbo erst einmal seine Skriptfabrik aufgebaut hat, erinnern nur häusliche Streitigkeiten und vereinzelte, kurz angerissene Tragödien im Umfeld des genialen Autoren an die schwerwiegenden Folgen der Antikommunistenpolitik. Erst im Abspann verdeutlichen Texttafeln, dass das unnachgiebige Bekämpfen vermeintlich „unamerikanischer Tätigkeiten“ zahlreiche Leben zerstört hat.

Der Fokus von Trumbo liegt viel mehr auf dem Findungsreichtum des Protagonisten und auf einer „Ha, den Irren da oben zeigen wir’s aber!“-Mentalität. Und diesem Anspruch wird der rund zweistündige Film gerecht: Wie Trumbo das politisch intolerante Hollywoodsystem an der Nase herumführte, wird mit Esprit und reich an Pointen nacherzählt. Trumbos Triumphe während seines Arbeitsverbots werden nicht etwa als rührselige Etappen einer bewegten Vita markiert, sondern als Punchlines: Der Mann, der untätig sein sollte, feiert verdeckt seine größten Karrieresprünge. Ha, nimm das, MPAPAI! Neben der hohen Dichte an Dialogwitz in der zweiten Filmhälfte, die Cranston charakterstark und mit perfektem Timing über die Bühne bringt, sorgen zudem exzentrische Nebenfiguren aus dem Filmbetrieb für Unterhaltung.

So besticht Dean O'Gorman als Spartacus-Hauptdarsteller Kirk Douglas: Optisch ist die Illusion perfekt, und darstellerisch gelingt O’Gorman ein faszinierender Spagat zwischen launiger Karikatur und respektvoller Imitation. Gleiches gilt für Christian Berkel als Exodus-Regisseur Otto Preminger, der hier als schräger, einschüchternder, aber moralisch integrer Deutschlandexport skizziert wird, sowie für John Goodman als schmieriger, impulsiver und gutherziger Schundfilm-Studioboss Frank King.

Angesichts dessen, wie leichtfüßig Trumbo in der zweiten Hälfte weitestgehend daherkommt, fällt die erste Hälfte etwas zäh aus: Die dramatische Grundlage für die später folgenden Eskapaden wird zwar nicht ganz ohne Dialogwitz erzählt (vor allem Louis C.K. punktet in den frühen Szenen mit Sarkasmus), jedoch verheddert sich die Erzählung mitunter in Details, die im weiteren Verlauf kaum Beachtung finden. Cranstons nuancierte Darbietung und die an Forrest Gump erinnernde, geschickte Verschmelzung aus Archivmaterial und nachgestellten Szenen lassen der holprigen Dramaturgie zum Trotz den ersten Trumbo-Part als solide Hollywood-Geschichte dastehen. In Kombination mit Theodore Shapiros effektiven, teils jazzigen Score schiebt sich Trumbo zwar noch immer nicht in die oberste Riege an Filmen übers Filmemachen, wohl aber mühelos am tonal vergleichbaren Hitchcock mit Anthony Hopkins vorbei.

Fazit:Überzeugende Darsteller und viel Witz machen aus dem Biopic Trumbo eine raffinierte Auseinandersetzung mit einer in Wahrheit sehr dramatischen Ära der Hollywood-Geschichte.

El Clan

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Argentinien in den frühen Achtzigern: Die Militärdiktatur, die das Land seit 1976 geknechtet hat, liegt in ihren letzten Zügen. Der Silberstreif namens Demokratie ist am Horizont bereits zu erkennen. In dieser Übergangszeit sorgt ein Patriarch allerdings weiterhin für Angst und Schrecken: Arquímedes Puccio (Guillermo Francella), ein willfähriger Handlanger des Militärs, der seine Erfahrung als Erpresser nunmehr dazu nutzt, um sich durch die Entführung von Mitgliedern wohlhabender Familien ein Zubrot verdient. Seinen ältesten Sohn Alejandro (Peter Lanzani) drängelt Arquímedes dazu, als Lockvogel dienlich zu sein. Die große Rugby-Hoffnung des Landes findet daran jedoch keinen Gefallen – gleichwohl mangelt es Alejandro am nötigen Mumm, seinem Vater Paroli zu bieten …

Die El Clan betitelte Mischung aus Familiendrama und Kriminalthriller stützt ihre Geschichte auf wahren Ereignissen, die sich in Argentinien in einigen seiner dunkelsten Jahre zugetragen haben. Der in seinem Heimatland Kultstatus genießende Regisseur Pablo Trapero hat den Mumm, dieses bis heute nicht ganz überwundene Kapitel der Nationalgeschichte mit Süffisanz zu erzählen: Zwar hat El Clan durchaus Gewaltspitzen, die eine FSK-Freigabe ab 16 Jahren rechtfertigen, allerdings hält er im Regelfall nicht auf die brutalen Taten des Puccio-Clans drauf, sondern setzt auf tiefschwarzem Humor.

So konterkariert er die gerissenen Entführungen und die ruchlosen Exekutionen der Puccio-Opfer und -Feinde mit vergnüglicher Rockmusik. In der einprägsamsten Szene des von Alejandro Carrillo und Penovi Pablo Trapero geschnittenen Films zeigt eine Parallelmontage, wie Arquímedes einen Mord nach dem nächsten anordnet, während sein Sohn Alejandro seine zukünftige Frau Monica (Stefanía Koessl) besser kennenlernt und letztlich erstmals mit ihr Sex hat. Das Luststöhnen des Paares verschmilzt mit den Hilfeschreien der Puccio-Gefangenen, beides vermengt sich mit „Sunny Afternoon“ der Kinks und steigert sich zu einem musikalischen und visuellen Klimax. Diese stilistisch irgendwo zwischen Martin Scorsese und Quentin Tarantino angesiedelte Montage versinnbildlicht, wie abgeschmackt und emotional zerreißend es wohl sein muss, als mitwissender Spross eines brutalen Ganoven privat langsam aufzublühen. Der Schneid dieser Sequenz zieht sich aber leider nicht durch den gesamten Film.

Die filmische Geschichtsverarbeitung, die 2015 in Argentinien Besucherrekorde aufgestellt hat, verliert sich nämlich in dramaturgische Spielereien, statt den inneren Konflikt seines Protagonisten auszuloten. Peter Lanzani gibt als Alejandro, genannt Alex, zwar eine solide Performance ab, das Dialogbuch gibt ihm jedoch wenig Gelegenheit, die innere Zerrissenheit des Rugby-Nationalspielers und Gangster-Sohnes zur Schau zu stellen. Das Unwohlsein Alejandros macht der TV-Star und Sänger deutlich, das emotionale Aufbegehren gegen seinen übermächtigen Vater kommt hingegen nur in wenigen Sequenzen zur Geltung – und in diesen liegt der inszenatorische Fokus auf Arquímedes.

Da Regisseur und Autor Pablo Trapero mit Rückblenden und Vorausblicken arbeitet, sorgt er zusätzlich für eine emotionale Distanzierung von seinen Figuren. Mit Alex mitzufiebern fällt daher vergleichsweise schwer, was den Zuschauer zu einem entrückten Betrachter der Familienzwistigkeiten macht. Des Weiteren dürfte es einem über argentinische Geschichte nicht informierten Publikum bei den vielen Zeitsprüngen nicht leicht fallen, der im Hintergrund ablaufenden Chronik der politischen Entwicklung Argentiniens durchweg zu folgen. Dennoch vermag es Guillermo Francella, in seiner Heimat vornehmlich als Comedian bekannt, mit eiskalten, strengen und starren Augen eine einschüchternde, fesselnde Leinwandpersönlichkeit aufzubauen. Die Intensität Francellas ist es auch, die gemeinsam mit der erwähnten Montagesequenz sowie kleineren Plansequenzen, in denen der Regisseur erschreckende Entwicklungen sehr stylisch einfängt, für eine dichte Atmosphäre sorgt.

Mit etwas mehr als 100 Minuten Laufzeit ist El Clan zwar etwas zu kurz, um seine zentralen Figuren mit Tiefe zu versehen, oder alternativ etwas zu lang, um als raue, flotte Gangsterposse zu fungieren. Für ein interessiertes Publikum ist El Clan dennoch ein sehr reizvoller, tonal faszinierender Einblick in die Geschichte und Filmkunst Argentiniens. Und einen denkwürdigeren Filmschluss hat es im Thrillerdrama-Bereich schon lange nicht mehr gegeben!

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