Na, vielen Dank auch, Götze, Klose, Schweini und Konsorten. Und natürlich auch besten Dank, liebe Moderatoren der Frühstücks- und Service-Magazine im Ersten und im ZDF: Jetzt muss ich wegen euch tatsächlich hier im Blog noch einen Beitrag zum Thema Fußball-Weltmeisterschaft abliefern. Also, echt, das hätte es einfach nicht gebraucht!
Zunächst einmal muss ich wohl die obligatorische Präambel loswerden: Per se habe ich nichts gegen Fußball. Der Sport spricht mich einfach nur nicht an. Und so, wie es Menschen nun einmal mit Dingen machen, für die sie nichts übrig haben, käme ich nie auf die Idee, mir selber Fußball anzuschauen. Ich finde Fußball aber nicht so schlimm, dass ich wegschaue, wenn Menschen mit denen ich meine Zeit verbringe, Fußball gucken. Etwa bei einem gemeinsamen Essen. Daher bin ich nicht gegen die Fußball-WM. Ich verfolge sie einfach nur nicht, feiere sie nicht und sehne mich nicht nach ihr, wenn sie ansteht. Millionen Menschen machen genau dies mit dem Oscar, dem CHIO, der Dart-Weltmeisterschaft und ähnlichem. Dies ist völlig legitim. Und ich habe auch nichts dagegen, wenn Leute, die Fußball mögen, sich über Fußball freuen. Ich erfreue mich ja auch an meinen Interessen und Hobbys.
Womit ich Probleme habe? Ich mag es nicht, wenn ich während der WM oder auch EM allen möglichen Leuten zehnmal erklären muss, weshalb ich kein Sehvergnügen an diesem Sport habe. Ich hasse es, wenn ich mich aufgrund meiner Meinung rechtfertigen muss. Ich hasse es, wenn mich Menschen verbal anhauen, ich solle doch gefälligst über meinen Schatten springen und mitfeiern, mitjubeln, mittrinken und mitgröhlen, "denn das machen ja sonst auch alle!" Ich verabscheue solche Sätze wie "Na komm, alle zwei Jahre könntest auch du dich mal der Mehrheit anschließen!". Kurzum: Ich hasse Gruppendruck, das Meinungsdiktat, Fußball gut finden zu müssen, weil ihn ja auch sonst jeder liebt. Das dürfte eine legitime Meinung sein, immerhin würden sich Menschen auch über mich beschweren, wenn ich fünf Wochen lang nur darüber reden würde, dass alle Welt Wilfred gucken müsste und ich mich abschätzig gegenüber Personen mit anderen Sichtweisen verhielte. Ich kann nicht bei etwas mitfiebern, dass ich nicht spannend finde. Und genauso wenig kann ich für die Fußball-WM meine Einstellung ignorieren, es falsch zu finden, etwas oder jemanden allein aufgrund seines Herkunftslandes anzufeuern.
Ich habe kein Problem damit, wenn Menschen das deutsche Nationalteam für das fähigste befinden und daher hinter ihm stehen. Ich mag nur nicht die Ansicht "Die deutsche Elf muss gewinnen, denn es ist die deutsche! Natürlich bin ich für unser Team!" Ich sehe genauso wenig Sinn dahinter, ein Team doof zu finden, nur weil es aus einem anderen Land kommt. Dies ist keine Meinung, die ich allein bei Fußball habe. Ich rege mich auch jedes Jahr auf, wenn jemand beim Oscar dafür ist, dass Deutschlands Beitrag zum Fremdsprachen-Oscar gewinnt, bloß weil der Film aus hiesigen Gefilden kommt. Ich feuere zudem beim ESC Jahr für Jahr den Beitrag an, den ich am besten finde. Und schimpfe über Menschen, die sagen "Deutschland gehört nicht in die untere Hälfte", weil sie finden, dass "unser" Land gewinnen "muss". Wenn der Song aus Deutschland halt mies ist, dann darf der gerne auch das Schlusslicht bilden. Möge der Bessere gewinnen, das ist meine Devise.
Und während dieser WM lief fast alles so, wie es meiner Ansicht nach gerne öfter laufen dürfte. Denn die gesellschaftliche Abscheu gegenüber Fußballmuffeln erschien mir (trotz steigender Quoten für Fußballspiele) gesunken. Keine Übergriffe, keine Beschimpfungen, sondern weitestgehend eine gesunde "Nun, jedem das seine!"-Einstellung. Ja, extrem verdutzte Blicke gab es noch immer, aber die lassen sich verkraften. Zumal während der WM sogar der Sportjournalismus sein kritisches Denken wiederfand: Negative Berichte über die FIFA und gesunder Abstand von blind-nationalen Deutschlandfans waren gegeben und wenn die deutsche Elf gelobt wurde, dann nicht, weil sie ja aus Deutschland ist und daher eh die beste sei. Sondern aufgrund vorbildlichem Fairplay und gesundem Ehrgeiz, gepaart mit Respekt vor den Gegnern und dem Gastgeberland. Wenn so eine Mannschaft auch noch gewinnt, dann darf sie selbst meinetwegen bejubelt werden. Tja, und dann kam der "Gaucho Dance" ... Seufz!
So albern und peinlich ich diese Einlage auch finde, viel wütender hat mich die Berichterstattung in der ARD und beim ZDF gemacht, die diesen kurzen Augenblick auf der Fanfeier der heimgekehrten Fußballer thematisierte. Daher stelle ich meine Schimpftirade über "unsere Jungs" kurz hinten an und muss erstmal über das ARD-Morgenmagazin und Volle Kanne meckern.
Für all jene, die von "Gauchogate" nichts mitbekommen haben: Im Rahmen der Heimkehrfeier am Dienstag tanzten einige der DFB-Spieler mit buckeligem Rücken herum und sangen mit gedrückter, gespielt dummer Stimme "So geh'n die Gauchos, die Gauchos, die geh'n so ...", ehe sie mit normaler Stimme und durchgestreckem Rücken herumtollten: "Und so geh'n die Deutschen, die Deutschen, die geh'n so!" Daraufhin explodierten diverse soziale Netzwerke vor Schimpftiraden, außerdem sprang der Feuilleton in die Bresche und kritisierte diese Aktion in wohl gewählten Worten.
Am Mittwochmorgen griffen dann die ganzen Frühstückssendungen der öffentlich-rechtlichen Sender in Ermangelung anderer Themen diese Debatte auf. Und zwar in der einseitigsten Weise, die man sich denken kann. "Das ist ein bekannter und harmloser Spaß unter Fußballfans", schnauzte einer der Moderatoren des ARD-Morgenmagazins in seiner Anmoderation eines Einspielers über eben jene Situation. Dessen Aussage lautete sinngemäß: "Manche meckern, aber wieso? Es ist nicht bedenklich rassistisch, also ist es okay." Dann wurde kurz Jürgen Trittin dazu befragt, später ergänzte der Moderator zudem (der Erinnerung nach wiedergegeben, diese Anmoderation konnte ich in der Mediathek nämlich nicht finden): "Ich bin mir sicher, dass der Tanz auch in Zukunft getanzt wird, er wurde ja auch schon immer getanzt, da ist nichts dabei."Ähnliche Worte auch bei Volle Kanne: Mal nicht übertreiben, Deutsche dürfen sich auch mal freuen, ohne sie direkt in die Nazi-Schublade packen zu müssen.
Auch wenn es mich verwundert hätte, würden sich die ARD und das ZDF nun, nachdem die deutsche Fußballnationalmannschaft den Sendern neue Rekordwerte einbrachte, gegen die DFB-Jungs wenden, so hätte ich mir eine differenziertere Betrachtungsweise gewünscht. Vor allem aber ist es lächerlich, wie die weltmeisterlichen Fußballer in Schutz genommen wurden: "Man muss ja nicht immer gleich die Nazikeule rausholen", war das Hauptargument, mit dem die ganze Debatte im Keim erstickt werden sollte.
Gewiss: Ich stimme den Moderatoren zu. Der Gaucho-Tanz war nicht rassistisch, Klose und Co. haben nun keine neue Generation von Neonazis herbeibeschworen. Aber: Davon sprach auch kaum jemand! Ja, bei Twitter kamen vereinzelte Rassismusvorwürfe auf. Aber ich habe bei Twitter während des Halbfinalspiels Deutschland gegen Brasilien darüber geschrieben, dass ich Das große Rennen rund um die Welt geguckt habe. Und darauf ging im Fernsehen auch niemand ein. Wieso auch? Wichtiger sind die Mehrheitsmeinungen und die gut geschriebenen Essays im Feuilleton. Und da wurde einhelligkritisiert, dass es kein gutes Bild macht, wenn eine Mannschaft, die während des Turniers noch aufgeschlossen, dankbar und fair erschien nun selbstgefälligden Verlierer demütigt.
Und eben dies ist der springende Punkt. Dies ist der Stein des Anstoßes. Es erzürnt manche Gemüter, wie die Siegermannschaft eines großen Sportturniers, die sich im Finalspiel kurz vor Ende der Verlängerung durch ein einzelnes Tor nach vorne spielen konnte, nun einen auf Ballermann-Sauflaune macht und gröhlend über die Verlierer herzieht. Da spielt nicht nur Scham über den Saufkumpanen-Humor mit, den die Herren Weltmeister aufzeigten, sondern auch Enttäuschung über den raschen Charakterwandel. Während der WM: Bescheidenheit. Ruhe. Besonnenheit. Freundliche Statements in alle Richtungen. Kaum haben sie den Pokal sicher: Ach wir sind ja schon geiler als die anderen!
Kaum jemand sieht im Gaucho-Tanz eine rassistische Geste. Doch er drängt sich als Geste eines schlechten Gewinners auf. So viele Menschen schimpfen über einen arroganten Stefan Raab, aber hat er je Schlag den Raab damit beendet, den Gegner unvorteilhaft zu imitieren und sich dann selbst zu feiern? Wie würden bitte all jene, die nun die Nationalelf in Schutz nehmen, reagieren, würden sie bei Monopoly gegen mich verlieren, woraufhin ich dann so tanzend durch das Wohnzimmer meiner Gegner trolle? Man würde mich hassen. Nun machen das ein paar prominente Fußballer mit Vorbildfunktion, und bei denen soll das dann plötzlich menschlich und nah am Herzen der Fans sein?
Dass der Gaucho-Tanz nun so hohe Wellen schlägt, liegt nicht daran, dass manche Menschen erst jetzt von solchen Fangesängen erfahren, liebe Moderatoren des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Sogar ich kenne diesen Tanz bereits, schließlich wurde er so ähnlich bereits 2006 auf der Fanmeile aufgeführt. Schon damals fand ich ihn beschissen. Nun aber zeigte die Nationalelf während der WM absolute Vorbildfunktion (naja, abgesehen von einem gewissen Großmaul, dass eine Reporteraussage der Marke "bitte beim nächsten Spiel nicht nachlassen" mit großkotzigem Geprahle und seiner Eistonnenakündigung quittierte), gewann in den Augen vieler (auch nicht-deutscher) Fußballkenner völlig verdient den Pokal ... und benahm sich dann doch wieder wie kleine, unerzogene Bengel nach ein paar Litern Bier zu viel. Da darf einem gerne die Hutschnur platzen.
Vor allem aber wäre all dies bald wieder vergessen, würden nun nicht die falschen Verteidigungsargumente rausgeholt. Man kann eine "Was für schlechte Gewinner"-Tirade nicht abwürgen mit "Hey, es war aber nicht rassistisch!". Und, bitte, seit wann ist "Das gab's schon immer!" eine gute Ausrede? Wenn die Eltern eines übergewichtigen Kindes aufgrund von Mobbingvorfällen an eine Behörde schreiten, darf man die dann auch wegschicken mit der Begründung: "Aber fette Kinder wurden doch schon immer beleidigt!" Darf ich in Zukunft die Zahlung meines Rundfunkbeitrags verweigern, "denn, naja, als ich klein war, musste ich auch nicht zahlen"?
Die Jungs waren besoffen und haben sich daneben benommen, sich von ihrer arroganten Seite gezeigt. Dafür darf man sie auch mal schelten, nachdem ihnen auch schon jede Menge Lob in sämtliche Körperöffnungen gepustet wurde. Danach wollen wir alle die Sache auch gerne wieder vergessen, des lieben Frieden und der Freude um den Pokal willen. Also, liebe ARD, liebes ZDF, tut nicht so, als würden wir wieder "Nazi!" schreien, nur weil wir einen glücklichen Deutschen sehen. Wir schreien: "Na, da ist aber unsympathisch!", weil wir jemanden sehen, der sich im Überschwang arrogant verhält.